Die Teilnehmer

Personen, die am Ausstellungsbesuch und am geselligen Verkehr im Künstlerhaus „teilnehmen“, also soziale Kontakte mit bildenden Künstlern pflegen wollten, konnten in die Genossenschaft über Vorschlag von drei Mitgliedern/Bürgern, in den Monats- und Hauptversammlungen als “Teilnehmer” aufgenommen werden. Ihre Aufnahme wurde nur durch die Größe der vorhandenen Räumlichkeiten beschränkt – eine Bestimmung, die bald an Bedeutung gewann. Der Teilnehmerjahresbeitrag betrug ursprünglich 20 Gulden, ebensoviel zahlten die ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder.1

Das Publikumsinteresse am geselligen Verkehr im neuen Künstlerhaus wurde viel höher, als man nach den Erfahrungen aus dem alten Albrecht Dürer Saal erwartete. 1872 wurden neun Teilnehmer aufgenommen, 1873 schon 17, 1874 35 und 1875 51; unter Berücksichtigung der Austritte und Todesfälle hatte in diesem Jahr die Zahl der Teilnehmer ein hundert Personen überschritten; dazu waren fallweise auch noch die Familienangehörige zu zählen. Dieser Andrang – das Künstlerhaus bestand zu dieser Zeit noch aus dem ursprünglichen villenartigen Bau im Grünen, ohne die späteren seitlichen Saalzubauten – führte am 3. November 1875 zum Beschluss des Leitenden Ausschusses den Teilnehmerbeitrag auf 40 fl. zu verdoppeln. Vorerst nur für neu eintretende Teilnehmer, ab 1.1.1877 für alle.2 Darüber hinaus wurden alle Neuaufnahmen wegen der bei Versammlungen, geselligen Veranstaltungen und Vernissagen häufigen Hausüberfüllung beschränkt; 1876 wurde nur ein Teilnehmer aufgenommen, 1877 ausnahmsweise zehn und dann bis zur Hauserweiterung 1882 niemand mehr.

Des Öfteren hat man zu dieser Zeit über die Gründung eines Kunstvereins innerhalb der Genossenschaft gesprochen und beraten; dabei handelte es sich nur um eine andere organisatorische Form der Zusammenfassung der Kunstfreunde. Schließlich blieb alles beim Alten; die Kategorie der Teilnehmer entsprach jener der Kunstvereinsaktionäre sehr gut – Kunstverein ist eine Organisation der Kunstkonsumenten, Künstlerverein eine der Kunstschaffenden.

Im erweiterten Haus 1882 wurden gleich 34 neue Teilnehmer aufgenommen; nach einem Beschluss der Monatsversammlung vom 15. Dezember 1883 wurden die Neuaufnahmen sogar vereinfacht und konnten von nun an schon durch den Ausschuss allein erfolgen. Das führte tatsächlich zum wahren Ansturm neuer Interessenten: 1885 wurde die Zahl zwei hundert Teilnehmer überschritten, 1895 war der erste Höhepunkt von 273 Teilnehmern erreicht. Dann sank ihre Anzahl langsam wieder – 40 Gulden Beitrag waren doch eine hohe Summe – bis zu einem neuerlichen Aufschwung nach der Jahrhundertwende. Viele von den Teilnehmern wollten zu außerordentlichen Mitgliedern ernannt werden, was jedoch wegen der zahlenmäßigen Begrenzung dieser Mitgliederkategorie nur den wenigsten gelang. Treffend wurde die Situation der Teilnehmer im anlässlich des Gschnasfestes 1898 erschienenen “Postbüchl” von Zygmunt Ajdukiewicz formuliert:

§ 1. Jedem Teilnehmer ist es gestattet, die ganz mit dichtem Rauch erfüllten Casinoräume nach Belieben zu benützen.
§ 2. Jeder ist berechtigt, sich einen eigenen Sessel mitzubringen, weil um halb 5 Uhr schon Alles besetzt ist.
§ 3. Der Aufenthalt im Spielzimmer ist ihm jedoch nur so lange gestattet, als er es in der erstickenden Luft aushalten kann.
§ 4. Sonst hat er keine Rechte.

Ganz so ohne Rechte waren die Teilnehmer natürlich nicht. Jeder Teilnehmer erhielt eine Legitimationskarte, mit der er, seine Frau und seine unverheirateten Kinder sowohl die Ausstellungen als auch alle sonstigen Veranstaltungen im Künstlerhaus frei besuchen konnten; einen – ermäßigten – Eintritt musste er, wie jedes andere Mitglied auch, nur bei den großen Gschnasfesten sowie bei einigen weiteren, besonders deklarierten Veranstaltungen bezahlen. Bei ledigen Teilnehmern konnten die Eltern oder ledige Geschwister in die Legitimation mit eingetragen werden.

Von dem jährlichen Beitrag von 40 fl. bzw. nach 1900 80 Kronen, wurden ab 1883 12 fl. (24 K) zur Bildung eines besonderen Fonds verwendet, des sogenannten “Teilnehmer-Ankaufs-Fonds”. Aus diesem Fond, an dem sich auch alle anderen Mitglieder durch die Zahlung von 12 fl. ebenfalls beteiligen konnten, wurden alljährlich aus den Künstlerhausausstellungen durch ein gewähltes Komitee Kunstwerke angekauft; in Notsituationen auch von den Künstlern direkt im Atelier. Im Oktober jedes Jahres wurden die angekauften Kunstwerke für einige Tage im Haus intern ausgestellt und anschließend an die am Fond Beteiligten verlost. Hatte ein Beteiligter an seinem Gewinn kein Interesse oder holte er das gewonnene Werk binnen eines Monats nicht ab, so ging es wieder in das Fondseigentum über und wurde im folgenden Jahr neuerlich verlost. Zur Verlosung kamen jährlich etwa zwölf große Werke, mal mehr, mal weniger, je nach ihrem Wert und den eingegangenen Zahlungen, später noch durch Blätter ergänzt.

Weniger durch den Zerfall der Monarchie – die traditionellen Käufer aus den Kronländern blieben nach 1918 aus – und die bis 1925 dauernde Inflation, als vielmehr erst durch die folgenden Währungsstabilisierungsmaßnahmen wie Annullierung der Anleihen und die zahlreichen neu eingeführten Steuern – in der Monarchie betrug der höchste Satz der Einkommensteuer 5 %, auch der große Unterstützer Rothschild zahlte nicht mehr – sowie durch die Wirtschaftskrise 1929 erlitten viele Teilnehmer so bedeutende finanzielle Verluste, dass sie nicht einmal mehr im Stande waren den Mitgliedsbeitrag zu zahlen und aus der Genossenschaft austreten mussten. Auch die von den Sozialdemokraten eingeführte Wohnbausteuer zur Errichtung der Wiener Gemeindebauten der zwanziger Jahre trug wesentlich zum wirtschaftlichen Ruin der ganzen Mittelschicht bei, die früher in ihrer Masse zu den bedeutendsten Kunstkäufern zählte. Diese neue Armut war eine der wichtigsten Ursachen für die Entstehung breiter Sympathien dem aufkommenden Nationalsozialismus gegenüber.

Trotz mancher diskret behandelter Ermäßigung für Einzelfälle konnten sich die Teilnehmer in ihrer Allgemeinheit um 1930 auch den ermäßigten Jahresmitgliedsbeitrag kaum mehr leisten; von Kunstankäufen konnte schon lange keine Rede mehr sein. Um das Interesse der Teilnehmer am Künstlerhaus zu steigern, ging die Fondsleitung in diesen schweren Zwischenkriegsjahren von Ankäufen teuerer Werke zu billigeren über, ja sogar zur Druckgraphik, nur um die Anzahl der zu verlosenden Preise zu erhöhen. Mit der Einführung der Schillingswährung 1925 wurde der Anteil des Ankaufsfonds auf 10 % gesenkt: von 40 Schilling Jahresmitgliedsbeitrag wurden nur noch vier Schilling für Ankäufe verwendet. Die an der Verlosung interessierten Mitglieder hatten nun acht Schilling zu bezahlen. Die letzten Ankäufe fanden 1943 statt, die letzte Verlosung am 8. März 1944; beteiligt waren 72 Teilnehmer, verlost wurden 11 Werke. Um diese Zeit gab es außerdem die sogenannten Teilnehmerblätter; die Druckgraphik wurde umso wichtiger, nachdem es zu keinen Verlosungen mehr kam.

Die Kategorie der Teilnehmer nahm innerhalb der Genossenschaft bzw. Gesellschaft zu dieser Zeit an Bedeutung ab, da neben ihr inzwischen noch die Sparten der “Förderer” und der “Freunde” entstanden waren. Der einst berühmte Teilnehmer-Ankaufs-Fond wurde schließlich nach Beschluss der Hauptversammlung vom 8. Mai 1956 aufgelöst und der Restbetrag dem hauseigenen Reservefond überwiesen (3121,08 öS).

Die Teilnehmerbewegung des zwanzigsten Jahrhunderts war nicht mehr so ausgeglichen wie die des neunzehnten. Im Jubiläumsjahr 1911 gab es 294 Teilnehmer, im letzten Friedensjahr 1913 289. Nach dem Kriegsausbruch 1914 stieg ihre Zahl auf 324. 1917 gab es 316 Teilnehmer, 1918 320, 1919 304, 1920 307, 1921 374, 1922 382. In den folgenden Zahlen sind auch ordentliche und außerordentliche Mitglieder enthalten, die sich durch zusätzlichen Losankauf an den Verlosungen des TAF beteiligten – die tatsächliche Zahl der Nur-Teilnehmer dürfte jedoch nicht viel kleiner gewesen sein: 1924 585, 1925 613, 1926 598, 1927 606. Ab 1928 betrug der Jahresbeitrag der Teilnehmer 60 Schilling; vielen wurde er auf ihr Ansuchen diskret bis auf die Hälfte herabgesetzt. Trotzdem nahm von nun an die Teilnehmeranzahl inkl. aller Interessenten an den Verlosungen nur noch ab: 1928 539, 1929 518, 1930 464, 1931 443, 1932 368, 1933 327, 1934 280, 1935 259, 1936 216, 1937 198.

Diese langsame, aber doch unaufhaltsame Abnahme spiegelt die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage des gesamten Österreichs wieder. Nach dem Anschluss 1938 kam dann der Aderlass der politisch und rassistisch Verfolgten: 1938 gab es 102 Teilnehmer und 1941 100, trotz der inzwischen angesetzten Werbung um neue Mitglieder. Bei der letzten Verlosung am 8. März 1944 waren 72 Teilnehmer gemeldet. Aus der Nachkriegszeit fehlen die Quellen; nach dem einzigen, bis zur Auflösung der Kategorie Teilnehmer vorhandenem Mitgliederverzeichnis vom 1. Dezember 1950 gab es damals 64 Teilnehmer.

Fortsetzung: Die Förderer und Freunde

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