Die Kriegsheimwerkstätte 1944-1945

Anfang November 1939 wurde das Künstlerhaus von Offizieren der deutschen Wehrmacht besichtigt und auf seine Eignung für Kriegszwecke überprüft. Die Wehrmacht suchte in Wien nach einem zentralen Raum, an den sich möglichst viele kleine Räume als Büros anschließen würden. Auch eine Küche wurde benötigt, da die Offiziere und Soldaten in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten sollten. Dabei befand sich bereits sowohl im Deutschen als auch im Französischen Saal ab dem Sommer 1939 die Getreideernte eingelagert. Wie die Wehrmacht erklärte, war die Beschaffung neuer Büroräume äußerst dringend; “wenn es darauf ankommt, könnte das gesamte Künstlerhaus beschlagnahmt werden”.

Dieses Gerede führte zur sofortigen Intervention bei Leopold Blauensteiner, der sich seinerseits umgehend an den Beigeordneten der Stadt Wien, SS-Standartenführer1 Ing. Hanns Blaschke wandte und der sich mit den zuständigen Militärstellen in Verbindung setzte. Die Intervention war erfolgreich, die Gefahr der Beschlagnahme konnte abgewendet werden.2 Das Haus blieb, wenn auch zeitweise mit Beschränkungen durch große Propagandaschauen, den Mitgliedern bis 1944, ja bis zu Kriegsende, zu Ausstellungszwecken erhalten. Laut einer Meldung der RKK vom 26. August 1944 hatte der Generalbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz die Stilllegung aller Kunstausstellungen angeordnet. Um die wirtschaftlichen Interessen der Kollegen zu schützen, errichtete Eisenmenger für sie im Deutschen Saal und im ersten Stock des Künstlerhauses Verkaufsstellen, also Kunsthandlungen, wo auch Mitglieder anderer Künstlervereinigungen ihre Werke der Öffentlichkeit anbieten konnten. Die sonstigen Säle mussten allerdings als Lagerräume für Autoteile zur Verfügung gestellt (vermietet) werden.

Nachdem im November 1944 die Mitglieder vom Kulturamt der Stadt Wien zum Einsatz bei Bergungs- und Sicherungsarbeiten des durch Luftangriffe verschütteten Kunstgutes angefordert wurden, kam keine einzige Meldung. Anscheinend war dies dem Vorsitzenden Rudolf H. Eisenmenger peinlich, so dass er sich am 6. Dezember 1944 zu einer schriftlichen Erklärung – etwa nach dem Motto der “Zehn kleinen Negerlein” – genötigt sah:

Die Gesellschaft hatte zu diesem Zeitpunkt 171 Maler, 47 Bildhauer und 39 Architekten; zusammen also 257 ordentliche Mitglieder. Davon wohnten außerhalb von Wien 62, bei der Wehrmacht waren 35 (am 22. Dezember 1944 korrigiert auf 43), beim Arbeitseinsatz waren 6 und 39 mit Kriegsplänen betraute Architekten. Von dem Rest waren 48 Mitglieder über 65 Jahre alt, Lehrer bzw. fest beamtet waren 31, Ausländer (Robin Christian Andersen: Däne; Edmund Moiret und Günther Baszel: Ungarn) 3, behindert und dauernd erkrankt 9, akut erkrankt 5 und einsatzfähig 19. Diese 19 Maler und Bildhauer waren in der Kriegsheimwerkstätte des Künstlerhauses bzw. bei den eigenen Verlagerungsarbeiten eingesetzt.

Diese sogenannte Kriegsheimwerkstätte war eine Idee und Gründung R. H. Eisenmengers. Als am 22. September 1944 eine Verordnung des Gauarbeitsamtes über Meldungen zu allgemeinen Arbeitseinsätzen erschienen war, schrieb R. H. Eisenmenger gleich am nächsten Tag an alle Kollegen; es schien ihm wünschenswert, alle Künstler im Rahmen eines Arbeitseinsatzes im Künstlerhaus zusammenzufassen. Durch diese Initiative hatte sie Eisenmenger letztlich vor weit ungünstigeren Einsätzen bewahrt, obwohl dies in einigen Fällen noch weiterer Interventionen seinerseits bedurfte. Im Einvernehmen mit dem Rüstungskommando und dem Arbeitsamt wurde im Künstlerhaus eine “Kriegsheimwerkstätte” der Firma Cyrus Rittler, eines Unternehmens für Elektrotechnik, eingerichtet. In dieser Werkstätte wurden die in Wien verbliebenen Mitglieder beschäftigt, sie wickelten Elektromotoren. Ähnlich beansprucht und somit vor allerlei Unheil verschont wurden auch die Frauen der Mitglieder, die man für die Erweiterung der Werkstätte reklamierte – “sobald eine entsprechende Rohmateriallieferung die Grundlagen dazu gibt”.

Die Werkstätte wurde als sogenanntes Verlagerungsbetrieb geführt; die im Künstlerhaus gewickelten Motoren sollten weiter an die Heinkel-Werke, die Floridsdorfer Lokomotiv-Fabrik sowie die Krupp A.G. in Berndorf geliefert werden. Der Betrieb der Werkstätte wurde vom Rüstungskommando Wien III., Richthofengasse 3, am 31. Oktober 1944 bewilligt. Die Firma Cyrus Rittler, vormals H. Pollak & Bruder, Wien XVIII., Michaelerstraße 9, hat in den folgenden Wochen das notwendige Material und Werkzeuge in das Künstlerhaus geschafft. Der Beginn der Einschulung der Arbeiter verzögerte sich jedoch noch bis zum 4. Dezember 1944. Der Betrieb selbst begann am 14. Dezember 1944 in dem 70 m2 großen Präsidentensaal im ersten Stockwerk (heute Ranftlzimmer). Insgesamt waren am Motorenbau folgende Künstler beteiligt:

Andersen Robin Christian
Baszel Günther
Bock Josef
Dobrowsky Josef
Eisenmenger Rudolf H.
Frank Hans
Frank Leo
Gorgon Vinzenz
Hartig Arnold
Haybach Rudolf
Hofmann Alfred
Humplik Josef
Janesch Albert
Kirsch Hugo
Krause Heinrich
Kubiena Ernst Wilhelm
Massmann Hans
May Karl Maria
Miller-Hauenfels Erich
Moiret Edmund
Örley Robert
Ozlberger Ekke
Pipal Viktor
Probst Erich
Ranzoni Hans d. J.
Riedl Josef Franz
Roux Oswald
Schmidt Rudolf
Stefferl Bartholomäus
Streit Robert
Strohofer Hans
Wagner von der Mühl Adolf
Wagner Ernst Michael
Zeileissen Rudolf
Zerritsch Fritz
Zita Heinrich

Allen im Künstlerhaus war klar, dass die Werkstätte nicht viel zum Rüstungsbetrieb beitragen konnte und zum “Endsieg” schon gar nichts; ihr Hauptzweck war aber die Rettung der bisher freischaffenden bzw. unbeschäftigten Wiener Mitglieder vor weit schlimmeren Arbeitseinsätzen. Natürlich waren die Künstler keine Fachkräfte und man erwartete von ihnen nicht viel; trotzdem kam es noch zu Beanstandungen der abnehmenden Firma. Am 27. Dezember 1944 sprach diesbezüglich der Firmen-Geschäftsführer vor allen in der Werkstätte eingesetzten Mitgliedern. Eisenmenger war natürlich wichtig, dass man nicht auf den Gedanken einer absichtlichen Sabotage kam und ersuchte selbst die Kollegen, sich zu bemühen.