Ansichtskarten

Bereits während der Weltausstellung 1873 wurden im Künstlerhaus Photographien einzelner ausgestellter Kunstwerke verkauft. Auch später wurden manche bedeutende Kunstwerke auf Platten festgehalten und in Abzügen vervielfältigt, meist im kleinen, damals sehr beliebten Visitenkartenformat. Dabei handelte es sich noch um echte Fotografien, keine Drucke. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als es bereits die Ansichtskarte gab, konnte auch das Künstlerhaus nicht länger abseits bleiben. Es waren vor allem die Gschnasfeste, die sich der Post- und Ansichtskarte bemächtigten. Neben der klassischen Fotoreproduktion der gelungensten Werke der Gschnasgalerie gab es bald auch Karikaturen und diverse gezeichnete humoristische Darstellungen. Ein Meister dieses Faches wurde Ernst Juch.

Ernste künstlerische Ansichtskarten wurden von der Genossenschaft dagegen bis zum Weltkrieg nicht herausgegeben. Alle bis dahin erschienenen Abbildungen des Künstlerhauses waren Initiativen einzelner Fotografen und fremder Verlage. Sie entstanden von auswärts, ohne Mitwirkung der Genossenschaft, spontan, anonym, ohne Rückfragen, ebenso, wie man Straßen und Plätze Wiens fotografierte. Zu Weihnachten 1914 wurden 250 solcher auswärts gedruckter Ansichtskarten mit einem Künstlerhausbild als Geschenke den im Künstlerhaus gepflegten Soldaten übermittelt.

Merkwürdigerweise war man von solch einer, doch kostenlosen Werbung für das Künstlerhaus im Ausschuss immer noch nicht überzeugt. Als Anfang April 1915 ein ehrlicher Fotograf, A. Walenta, um die Genehmigung bat, vom Künstlerhaus Ansichtskarten machen und vertreiben zu dürfen, wurde er abgewiesen, obwohl es solche von anderen Fotografen gab. Die Bewilligungen bedurften bis dahin nur die Fotografen, die im Hausinneren fotografierten bzw. einzelne Kunstwerke aus den Ausstellungen reproduzieren wollten. An strenge Bewilligungen gebunden waren Porträtfotografen, die ihre Kameras bei den Gschnasfesten aufstellten. In der Regel gab es pro Fest stets nur einen einzigen, der die vornehme Ball-Gesellschaft in einem dafür eingerichteten Raum aufnehmen durfte.1

Am 29. Jänner 1929 schrieb der Geschäftsmann Jakob Pinkasowitsch – “Fachmann auf dem Gebiete der graphischen Kunst” – der Genossenschaft einen mehrseitigen Brief und schlug darin die Errichtung eines graphischen Studios im Künstlerhaus vor, das sich der Herstellung und dem Vertrieb von Postkarten und künstlerischer Drucksachen für Gewerbe, Handel und Industrie widmen sollte. Pinkasowitsch hatte genaue Vorstellungen: die ganze Koordinierung, Auftragsbeschaffung etc. hätte durch ihn erfolgen sollen, das Künstlerhaus hätte seinen Namen und seine Mitglieder für die Entwürfe und die Ausführung bereitzustellen. Obwohl über Pinkasowitsch vorerst nur gute Referenzen zu erfahren waren – er war lange Jahre Direktor und Gesellschafter der bekannten Agentur Kilophot, schied von dort 1925 aus und lebte seitdem von Gelegenheitsgeschäften – schien die Sache dem Ausschuss aber doch zu risikoreich. Ende Februar 1929 wurden dann dem Ausschuss einige Einzelheiten seiner Geschäftspraktiken bekannt, die eine Zusammenarbeit mit Pinkasowitsch doch nicht ratsam erscheinen ließen. Am 25. Februar 1929 wurde sein Angebot definitiv abgelehnt.2

Anfang Jänner 1943 wandte sich der Verleger Karl Kühne, Wien 7, Neubaugasse 8, an Igo Pötsch: Kühne wollte Ansichtskarten mit Abbildungen von Bildhauerarbeiten herausgeben und vertreiben. Die anschließenden Vorverhandlungen führten zur Ausarbeitung eines Vertrags, an dessen Abschluss man sich im Detail jedoch nicht einigen konnte. Trotzdem bekam Kühne bereits am 28. Jänner 1943 vom Künstlerhaus 21 SW-Fotografien als Vorlage. Davon wählte er 18 aus und ließ sie in Bromsilber-Ausführung in einer Auflage von je 21 000 Stück drucken.

Nach einer mündlichen Abmachung übermittelte er am 1. September 1943 dem Künstlerhaus je 92,25 RM pro verlegte Postkarte, das waren 5 % des Ladenpreises. Diese erste Kartenserie mit Plastiken der Künstlerhausmitglieder bestand aus folgenden Werken:

  • Michael Drobil: “Stehende”, “Toter Held” (Kriegerdenkmal in Ried i.I.), “Säender / Der Sämann”
  • Otto Hofner: “Reiter”
  • Josef Humplik: “Der Läufer”
  • Ernst Kubiena: “Schwertweihe”
  • Edmund Moiret: “Die Quelle”, “Gebet”, “Absage an das Niedrige aus dem Cyklus Helden-Werdung”, “Weiblicher Akt / Höheres Verlangen”
  • Ferdinand Opitz: “Kugelstoßer”
  • Josef Franz Riedl: “Kraft”, “Mädchentorso”
  • Franz Seifert: “Jung Siegfried”
  • Karl Stemolak: “Schreitender Jüngling”
  • Karl Stundl: “Halbakt”
  • Adolf Wagner von der Mühl: “Junges Mädchen”
  • Heinrich Zita: “Vater und Sohn / Heimkehr”

Im September 1943 arbeitete Kühne an einer zweiten SW-Serie von 18 Bildern in Bromsilber-Ausführung sowie seiner ersten Gemäldeserie von 16 Bildern in Vierfarbendruck. Diese Serie sollte in einer Auflage von je 30 000 Stück gedruckt werden. Kühne bekam vom Künstlerhaus die entsprechenden Vorlagen, trotz des immer noch fehlenden schriftlichen Vertrags, nur auf mündliche Abmachungen hin. Nach einer Abrechnung Kühnes vom 21. Dezember 1943 bestand die zweite SW-Postkartenserie in Bromsilber aus:

  • Fritz Behn: “Prometheus”, “Suallah-Antilope”, “Brunfthirsch”, “Wildsau”
  • Michael Drobil: “Knabe”, “Kinderbildnis”, “Mädchenkopf”, “Liegende”
  • Otto Hofner: “Tanzende”, “Der Führer”, “Unbesiegt 1914-1918″
  • Josef Müllner: “Donauwellen”, “Mozart”, “Tropennacht”, “Mutter und Kind”
  • Josef Franz Riedl: “Kampfbereit”
  • Adolf Wagner von der Mühl: “Fallender Krieger”, Relief “Bauernschenke”

Für solche künstlerischen Ansichtskarten bestand damals trotz, oder gerade wegen des Krieges ein großer Bedarf. Im schweren Tagesdasein suchte man in der schönen Kunst Ablenkung und seelische Unterstützung. Das bewiesen auch weitere Anfragen anderer interessierter Verlage und Druckereien, so von H. C. Stöckel aus Hannover, Rembrandtstraße 33 vom 9. Dezember 1943 nach Gemäldereproduktionen Wiener Künstler, oder des Josef Löschau, Schönlinde, Kreis Rumburg, Sudetengau, vom 29. Dezember 1943 nach Kindermotiven. Am 1. Juni 1944 kam es dann doch zu einer Vetragsunterzeichnung mit Karl Kühne: das Künstlerhonorar wurde auf 10 % des Ladenpreises erhöht. Reproduziert werden durften nur die von der Ausstellungskommission ausgewählten Werke und Kühne wurde verpflichtet vor dem Druck dem Künstlerhaus Probedrucke vorzulegen. Im Interesse der Qualität wurde der Gesellschaft das Recht eingeräumt, die gesamte Herstellung zu überwachen.

Die noch vor Vertragsabschluss produzierte Gemäldeserie wurde nur mit 5% Honorar bezahlt. Sie bestand aus Werken (die genauen Titel sind nicht ganz bekannt) folgender Künstler:

  • Rudolf Hermann Eisenmenger (3 Werke): „Läufer“, „Porträt“, …
  • Leopold Hauer (3 Werke): „Bäuerin“, …
  • Heinrich Krause (2 Werke): „Melancholie“, …
  • Ekke Ozlberger (3 Werke): …
  • Robert Streit (2 Werke): „Akt“, …
  • Franz Windhager (3 Werke): …
  • Das 5 % Honorar bezog sich auch noch auf eine dritte bis dahin erschienene Serie von 18 Plastiken:
  • Fritz Behn (1 Werk)
  • Michael Drobil (3 Werke)
  • Otto Hofner (3 Werke)
  • Ernst Wilhelm Kubiena (1 Werk)
  • Edmund Moiret (2 Werke)
  • Josef Müllner (3 Werke)
  • Josef Franz Riedl (1 Werk)
  • Franz Seifert (1 Werk)
  • Theodor Stundl (1 Werk)
  • Adolf Wagner von der Mühl (2 Werke)

Im Sommer 1944 plante Kühne eine Farbserie von Gemälden aus der Frühjahrsausstellung. Die Vorlagen wurden durch die Ausstellungskommission ausgesucht:

  • Arthur Brusenbauch: “Holzschlag”
  • Josef Dobrowsky: “Rittersporn im Krug”
  • Oswald Grill: “Auf der Höhe, Winterlandschaft im Salzkammergut”
  • Julius Hüther: “Mohn”
  • Marcell Kammerer: “Morgen am Bach”
  • Heinrich Krause: “Ankleidende”, “Schlafende”
  • Ernst Nepo: “Herbstblumen in Vase”
  • Max Neuböck: “Gasteiner Landschaft”
  • Gustav Schütt: “Achau”
  • Josef Schuster: “Alte Bücher”
  • Josef Straka: “Tiroler Bauernstube”, “Wiese im Zillertal”
  • Wilhelm Ulrich: “Kapelle am Waldrand”
  • Ludwig Wieden: “Erbhofbauer”
  • Fritz Zerritsch: “Abendruhe”
  • Aus diesen Werken wurde nachträglich ein Motiv durch:
  • Erwin Puchinger: “Aus einem Tiroler Bauernhaus” ersetzt.

Die Fertigstellung der Serie verzögerte sich jedoch, zuerst durch den überbeanspruchten Repro-Fotografen Meyer, Theobaldgasse, dann durch Verspätungen in der Klischeeanstalt. Als am 4. Dezember 1944 die Probedrucke vertragsmäßig ins Künstlerhaus kamen, wurden zwölf Motive wegen Farbabweichungen durch die Ausstellungskommission nicht bewilligt. Dies war eine unverständliche Haltung, überall herrschte allgemeine Wirtschaftsnot; die im Frieden sicher berechtigten Einwände waren hier fehl am Platz. Durch diese Entscheidung der Ausstellungskommission wurden die Ansichtskarten bis zum Kriegsende nicht mehr gedruckt, die Künstler kamen um ihre Werbung und ihre Honorare. Verluste erlitt auch Karl Kühne, der die Expansion des damaligen mächtigen deutschen Hoffmann-Verlags wenigstens im Raum um Wien hindern wollte und der es verdient hätte, vom Künstlerhaus mehr unterstützt zu werden.

Nach dem Krieg wollte Präsident Karl Maria May, schon nur um den Künstlern geringe Einnahmen zu ermöglichen, die Postkartenproduktion fortsetzen und schrieb am 19. Oktober 1946 an Karl Kühne, der inzwischen in die Wollzeile 7 übersiedelt war. Kühne zeigte sich bereit, bat allerdings um einen neuen Vertrag, der am 8. Mai 1947 auch unterzeichnet wurde. Er wollte neben Ansichtskarten auch Künstlermappen zu einzelnen Ausstellungen, Kunstblätter, Kunstkalender und Schultafeln herausgeben. Die Honorarhöhe pro Vorlage blieb bei 10 %.

Am 25. Juni 1947 wurden von Kühne 18 Bilder für die erste Nachkriegs-Ansichtskartenserie als reproduktionswürdig ausgewählt:

  • Erhard Amadeus-Dier: “Heißer Tag”
  • Emil Beischläger: “Donaulandschaft”
  • Rudolf Hermann Eisenmenger: “Bildnis meines Sohnes”
  • Max Frey: “Feldblumen”
  • Alfred Gerstenbrand: “Damenbildnis”
  • Rudolf Hafner: “Herbstlicher Gebirgsbach”
  • Rudolf Holzinger: “Kinder im Winter”
  • Heinrich Krause: “Blumenstück”
  • Karl Maria May: “Schönbrunn”
  • Paul Meissner: “Mädchen mit Kühen”
  • Erich Miller-Hauenfels: “Hafen von Cassis”
  • Max Neuböck: “In Gedanken”
  • Viktor Pipal: “Kahlenbergstraße im Winter”
  • Max Poosch-Gablenz: “Schafherde”
  • Rudolf Reinkenhof: “Blumen”
  • Ernst Schrom: “Mutter”
  • Gustav Schütt: “Einsames Gehöft”
  • Hans Strohofer: “Gladiolen”

Doch dann gab es keinen Fortschritt mehr. Kühne hatte Produktionsschwierigkeiten und gute Rohstoffe waren nach wie vor Mangelware. Außerdem hatte der Verlag mit früher nicht gekannten Absatzproblemen zu kämpfen; der seinerzeitige Absatzmarkt des Großdeutschen Reiches war nur auf das von Zonen geteilte Österreich geschrumpft und auch das allgemeine Publikumsinteresse für künstlerische Postkarten nahm nach Kriegsende sprunghaft ab. Trotzdem verhandelte der Ausschuss mit Kühne auch noch in weiteren Projekten, wie einer großformatigen Gemäldereproduktion von Paul Meissner “Wunderteam”, die im Auftrag des Stadtrates Viktor Matejka entstanden war; einem Künstlerhaus-Bildkalender, den man für das Jahr 1949 herausgeben wollte und auch über die Fortsetzung der SW-Ansichtskarten, die früher so erfolgreich waren.

Am 1. September 1948 überreichte Kühne dem Künstlerhaus die ersten Andrucke seiner ersten Nachkriegsproduktion, die jedoch enttäuschend waren. Die Farben waren sogar schlechter, als die im Dezember 1944 abgelehnten Kriegsdrucke. Karl Kühne war von der negativen Reaktion des Künstlerhauses sehr enttäuscht, das nicht seine Bemühungen anerkennen wollte. Selbst durch eine Krankheit entmutigt, übergab er Ende des Jahres 1948 die Künstlerhaus-Ansichtskarten der “Heimkehrerhilfe” zur Produktion und zum Vertrieb. Das war das Ende der Zusammenarbeit mit dem Verlag Kühne und das Ende der Ansichtskarten aus dem Künstlerhaus – obwohl die Idee eigener Ansichtskarteneditionen seitdem noch einige Male im Haus erörtert wurde.3

Erst 1998, 2002, 2007 und 2008 erschienen einige Ansichtskarten im Zusammenhang mit den Hausausstellungen, mit dem Foyer und Fassadendarstellungen, 2002 ein Leporello von Pia Lanzinger „Playstation Vienna“ mit provozierenden Fragen.

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