Die erste Filmvorstellung im Künstlerhaus, mit laufenden Bildern an einer Projektionswand, durfte die auf Veranlassung der Erzherzogin Isabella während des Ersten Weltkriegs, am 28. Dezember 1914 arrangierte Vorführung für verwundete Soldaten gewesen sein; im Haus befand sich damals ein Lazarett. Die Vorstellung ermöglichte der Inhaber des benachbarten Opernkinos Theodor Wohlmuth, der die technische Ausrüstung zur Verfügung stellte; die Zuschauer waren die im “Rekonvaleszentenheim Künstlerhaus” gepflegten Soldaten sowie einige Prominente: Neben Erzherzogin Isabella selbst noch die Erzherzoginnen Gabriele und Alice, die Prinzessinnen Salm und Parma sowie der amerikanische Botschafter Mr. F. C. Penfield mit Gemahlin. Wie das “Fremdenblatt” vom 30. Dezember 1914 berichtete, nahm die Vorstellung einen sehr animierten Verlauf und die heiteren Szenen fanden bei den Verwundeten beifällige Aufnahme.1 Was am Programm stand und wie lange die Vorstellung dauerte, ist nicht überliefert. Da aber auch der amerikanische Botschafter anwesend war, handelte es sich wahrscheinlich um amerikanische Komödien; die USA waren zu diesem Zeitpunkt noch neutral.
Dass das Kino so spät ins Künstlerhaus fand, lag wahrscheinlich nur an den damals technischen Problemen und besonderen Gefahren. Filmbrände, auch in großen, gut ausgerüsteten Kinos standen an der Tagesordnung. Die behördlichen Auflagen wurden erst nach und nach strenger. 1896, als am 27. März Herr Eugène Dupont in der Kärntnerstraße 45 die Erfindung der Brüder Lumière aus Lyon den Wienern zum ersten Mal präsentierte, zeigte man im Künstlerhaus nur wenige Tage vorher noch feste Lichtbilder (Dias) des “Camera-Clubs”. Diese Vorführung fand im Deutschen Saal statt, um 19.00 Uhr des 19. März 1896. Die Projektionsleinwand wurde auf Kosten der Genossenschaft angeschafft, alles andere war ausgeborgt.
Am 13. Jänner 1902 gab es im Rahmen eines Varietèabends eine Vorführung von sogenannten “Skioptikon-Bildern”.
Am 3. Jänner 1905 führte im Rahmen der Silvester-Nachfeier Dr. Ferry Angerer weitere “Skioptikonbilder” vor; eine zweite Serie am 9. Jänner 1905 Philipp von Schoeller. Projezieren war damals noch ein Vergnügen der Oberschicht. Weitere “Skioptikon”-Vorführungen sind aus dem 15. Jänner 1906 und 7. Jänner 1908 dokumentiert; von keiner dieser Vorstellungen haben sich jedoch Programme erhalten.
Das Kino von damals, 1907 waren in Wien zehn ständige Säle, hatte noch den Reiz des Unbekannten. Man bewunderte viel mehr das Neue und die technische Leistung, als das Dargebotene und war mit seinen Ansprüchen noch sehr bescheiden. Erst nach und nach wurde der Film auch als eine neue Art seriöser Unterhaltung angesehen; das Kino entwickelte sich von einer Schaubudenattraktion zum Lichtspieltheater. Durch Ton begleitet wurde der Stummfilm anfangs überhaupt nicht, dann vom Klavier, später manchmal sogar vom Orchester. Was aber dabei den Kinounternehmern nicht alles einfiel: so gab es in langen Sälen auch “beiderseitige” Zuschauerräume mit einer durchscheinenden Leinwand in der Mitte: eine Publikumshälfte sah dem Filmgeschehen von “hinten”, also seitenverkehrt, zu. In Berlin gab es ein solches Kino sogar um die Ecke; mit einem großen 45° Spiegel in der Diagonale.
Über eine dauerhafte Errichtung eines Kinos sprach man im Künstlerhaus erst in den unsicheren Tagen der jungen ersten Republik. 1921 und 1922 dachte man an ein Kunst- und Künstlerkino mit einem ausgeprägten Bildungsauftrag; im Vordergrund aller Überlegungen standen allerdings zusätzliche Hauseinnahmen. Als erster setzte sich der Direktor des Deutschen Volkstheaters Alfred Bernau für die Einrichtung eines solchen Kinos ein. Der Kinogedanke war eine Ergänzung seines Kammerspiel-Projekts. Die Filmvorführungen sollten den Ausstellungsbetrieb nicht behindern: im selben Saal wären bei Tageslicht Ausstellungen und bei eintretender Dunkelheit Filmprojektionen möglich. Nur die Bestuhlung müsste jedes Mal aufgestellt werden. Die Filme sollten von hohem künstlerischem Niveau sein; der Ausschuss hätte außerdem bei der Filmauswahl ein Vetorecht.
Im Sommer 1922 kam ein weiterer ernster Interessent, Kommerzialrat Karl Wohlmuth, zu Bernau. Wohlmuth dachte, wie Bernau, an ein künstlerisches Kino: doch im Gegensatz zu ihm schon als eine ständige Einrichtung mit festen Sitzen und mit mehreren Vorstellungen täglich. Wohlmuth versprach erstklassige Geräte “ohne Flimmern, Blitzen und Zittern”, mit konstanter Geschwindigkeit und mit Musikbegleitung durch ein Symphonieorchester. Außerdem sollten eigene Produktionen von Fachfilmen über Malerei, Bildhauerei und Architektur gefördert werden. Zum Umbau wurde der Deutsche Saal vorgeschlagen. Wohlmuth war bereit alle nötigen Arbeiten auf eigene Kosten durchzuführen und die Genossenschaft sollte sich als Hausinhaber um die notwendige Konzession bewerben.
Die Vorschläge Bernaus und Wohlmuths waren interessant, aber verfrüht. Die bildenden Künstler sahen damals im Film ein Medium, das vor allem der Unterhaltung diente und noch nicht ein Information- oder sogar Bildungsmittel. Dass man das Filmemachen einmal auch als eine eigene Kunstart betrachten würde, war ihnen noch völlig fremd. So stand auch der Präsident Ernst Hegenbarth damals dem sogenannten “künstlerischen Film” skeptisch gegenüber. Im Dezember 1923 wurde das Kinoprojekt abgelehnt.2
Zu einem neuen Vorschlag des Kinobaues kam es 1926, diesmal ausschließlich aus rein wirtschaftlichen Überlegungen. Die treibende Kraft war immer noch Karl Wohlmuth, der diesmal durch die Einziehung einer Zwischendecke im Deutschen Saal die gesamte bisherige Bodenausstellungsfläche erhalten wollte. Diesmal wurde man sich einig, das Kino sollte “Künstlerhaus-Lichtspiele” heißen, die gesamten Baukosten sollte, wie schon vor Jahren abgesprochen, Karl Wohlmuth tragen. Wie lukrativ Kinos dieser Zeit gewesen sein mussten, zeigt die vereinbarte Mietzinshöhe: jährlich 20 000 Schilling und eine Gewinnbeteiligung von 20 %. Sollte der Reingewinn hundert tausend jährlich überschreiten, so wäre die Genossenschaft an diesem Überschuss mit 40 % beteiligt. Am 29. Mai 1926 suchte die Genossenschaft beim Magistrat um die Konzession an.
Der Traum von neuen Einnahmequellen für das Künstlerhaus war allerdings rasch ausgeträumt. Wie die Polizeidirektion der Genossenschaft am 14. Juli 1926 mitteilte, war das Magistrat “mangels jeglichen Lokalbedarfes” gegen die Erteilung einer Kinokonzession an das Künstlerhaus. Das war ein Politikum: die sozialdemokratische Gemeindevertretung dieser Zeit zeigte sich der Genossenschaft gegenüber äußerst feindlich eingestellt. Acht Jahre zuvor, in der Monarchie, hätte man die Konzession vom Magistrat ohne Probleme bekommen.
An diesem ablehnenden Standpunkt der Gemeinde konnten auch persönliche Interventionen des Präsidenten Alexander D. Goltz bei einflussreichen Politikern nichts ändern. Besonders Stadtrat Hugo Breitner war gegen ein Kino im Künstlerhaus. Da er dies aber nicht plausibel begründen konnte, hätte er nach eigenen Worten nichts dagegen, wenn die Genossenschaft als Betreiberin eines Künstlerkinos woanders tätig wäre.
Das erweckte im Künstlerhaus wieder etwas Optimismus. Man war sogar ganz zuversichtlich, als sich im Herbst 1927 die Gelegenheit bot, das ehemalige Café Atlantis Ecke Ring und Schwarzenbergplatz zu übernehmen und zu einem Künstlerhauskino umzubauen. Am 15. Oktober 1927 wurde von diesem Projekt Stadtrat Breitner schriftlich informiert und um die Genehmigung einer Kinokonzession ersucht. Als Hauptgrund der Kinoerrichtung wurde die Verbesserung der finanziellen Lage des nach wie vor sich selbst ohne öffentlicher Subventionen erhaltenden Künstlerhauses angeführt. Man wollte mit eigenen Kräften der schlechten wirtschaftlichen Lage Herr werden. Doch auch diesmal, trotz der jedermann verständlichen Erklärungen, wurde die Kinokonzession der Genossenschaft vom Magistrat dezidiert verweigert. Damit wurden alle weiteren Pläne und Überlegungen hinfällig; die Gemeinde war keineswegs gewillt, dem Künstlerhaus – unabhängig vom Standort – eine Kinokonzession zu geben.3
Um die Kinoidee wurde es dann Jahre still und auch in den veränderten politischen Verhältnissen nach 1934, als man die Konzession höchstwahrscheinlich ohne weiteres bekommen hätte, dachte niemand mehr an ein Kino im Künstlerhaus.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 änderten sich die Beziehungen des Künstlerhauses zur Stadtverwaltung neuerlich grundlegend. Das Künstlerhaus wurde von den nationalsozialistischen Machthabern als bedeutende öffentliche Kultur- und Volksbildungsstätte wieder anerkannt und hochgeschätzt. Man begann die Gesellschaft – der alte Name “Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens” wurde nach der Entstehung der Reichskunstkammer als nicht mehr zeitgemäß abgelegt – sogar hoch zu subventionieren. Die wirtschaftliche Lage der Vereinigung verbesserte sich so sprunghaft, dass man sich an den alten Wunsch nach einer Kinokonzession gar nicht mehr erinnerte. Man hatte keine Motivation mehr nach neuen Einnahmequellen zu suchen. Die Förderung der bildenden Kunst war eines der wichtigsten Staatsanliegen des Dritten Reiches, der Führer selbst betrachtete sich als Künstler und Schirmherr der Kunst.
So kehrte der Gedanke eines Kinoeinbaues erst während der katastrophalen Nachkriegsnot wieder zurück. Durch harte Sparmaßnahmen gelang es 1945 den täglichen Aufwand des gesamten Hauses von 400 auf 300 Schilling herabzusetzen und ohne Defizit durchzukommen. Öffentliche Subventionen waren nicht zu erwarten – ab dem Kriegsende bis zum Sommer 1946 bekam das Künstlerhaus zweckgebunden für bestimmte Ausstellungszwecke insgesamt 3000 Schilling aus öffentlicher Hand. So begann sich der Ausschuss wieder ernsthaft mit dem Kinogedanken zu beschäftigen und der Rechtsberater der Gesellschaft Rechtsanwalt Dr. Viktor Werner wurde gebeten, die nötigen Schritte beim Magistrat einzuleiten. Auch diesmal hatte man einen Interessenten, der hinter einem Kinoprojekt stand: Kommerzialrat Josef Siller, der eine Symbiose Café-Kino im Auge hatte.
Die Beziehungen Künstlerhaus – Magistrat hatten sich gegenüber den radikalen Zuständen der Zwanziger Jahre allgemein gebessert; sowohl der kommunistische Kulturstadtrat Dr. Viktor Matejka, wie auch der Bezirksvorsteher standen dem Künstlerhausprojekt positiv gegenüber und auch das befragte Gremium der Lichtspieltheater erhob gegen die Errichtung eines Künstlerhauskinos keine Einwände; handelte es sich doch um ein öffentliches Anliegen und um die Förderung der bildenden Kunst. Das in der Nähe befindliche Opernkino wurde im Krieg zerstört und sein Wiederaufbau war äußerst unsicher, so gab es auch kein Konkurrenzunternehmen in der nächsten Nähe. Durch diese positiven Sondierungsgespräche abgesichert, stellte Dr. Werner am 10. August 1946 das Konzessionsansuchen.
Als Hauptziel des Kinobaues stand die Verbesserung der finanziellen Lage des Hauses. Man wollte sich die bisher weitgehende Unabhängigkeit von staatlichen- und Gemeindezuschüssen auch weiterhin bewahren. Trotzdem, und obwohl man auf die Gunst eines großen Publikums angewiesen war, dachte man von Beginn an an eine andere Art der Filmauswahl, als in den sonstigen Wiener Kinos üblich. Die im Künstlerhaus gezeigten Filme sollten nicht rein kommerziell sein, sondern dem Haus entsprechend kunst- und kulturfördernd wirken.
Am 1. April 1947 überreichte man dem Magistrat die inzwischen von Alfons Hetmanek, dem damaligen Hausarchitekten, ausgearbeiteten Pläne und gab den vorgesehenen Titel “Filmtheater Künstlerhaus” sowie den Namen des vorgesehenen Geschäftsführers Gustav Scheibenpflug bekannt. Vom Magistrat selbst gab es von einer bevorstehenden Konzessionsverleihung bis dahin, also schon mehr als sechs Monate nach gestelltem Ansuchen, immer noch kein Lebenszeichen. Um einem deshalb schon befürchteten ablehnenden Bescheid zuvorzukommen, intervenierte diesbezüglich Anfang Mai 1947 Präsident Karl M. May persönlich beim Bürgermeister Dr. Theodor Körner und dem Vizebürgermeister Minister a. D. Lois Weinberger.
Nach May’s Argumenten käme in Zukunft ein moderner, wirksamer Ausstellungsbetrieb ohne Ergänzung durch Bild und Ton ohnehin nicht aus. Schon zu dieser Zeit waren Kongresse oder große Programmausstellungen ohne solche Ergänzungen kaum denkbar. Die “Gesellschaft bildender Künstler Wiens” wäre aber begreiflicherweise nicht in der Lage, die dauernde Last einer solchen modernen Einrichtung, die nur fallweise in Gebrauch käme, zu tragen. Diese Kosten wollte man deshalb durch einen Spielbetrieb decken. Die darüber hinaus erzielten Einnahmen sollten zur Hauserhaltung und zur finanziellen Absicherung des defizitären Ausstellungsbetriebs dienen. Die Gesellschaft glaubte erwarten zu können, “… daß mit der Verleihung der Konzession nur jenes Mindestmaß an Anerkennung Ausdruck findet, das der opferreichen Arbeit der Künstlerschaft zu Mehrung des Ansehens unserer österreichischen Heimat in der Welt entspricht…”
Am 19. Mai 1947 konnte der Vizebürgermeister Weinberger der Gesellschaft berichten, dass die MA 7 zwar “grundsätzlich positiv” dem Projekt gegenüber steht, dass man aber dem Künstlerhaus nur eine auf Kulturfilme beschränkte Konzession erteilen wird. Das war durchaus auch im Sinne des Künstlerhauses, das an Kulturfilmen interessiert war; Präsident Karl M. May bat aber um eine solche Textformulierung der Konzession, die die Rentabilität des Betriebes ermöglichen und den ursprünglichen Zweck und Sinn des Baues durch diese Beschränkung nicht aufheben würde. Der Begriff “Kulturfilm” ist sehr dehnbar.
Am 9. Juni 1947 fand im Deutschen Saal, wo das Kino eingebaut werden sollte, eine Begehung durch Magistratsbeamte statt, die danach eine Planänderung verlangten. Am 11. Juli 1947 fand eine neuerliche Augenscheinverhandlung statt und schließlich am 26. August 1947, mehr als nach einem Jahr des Wartens, wurde die lang ersehnte Konzession dem Künstlerhaus erteilt. Wie jedoch durch den Vizebürgermeister vorgewarnt, lautete sie nur auf Vorführungen künstlerisch wertvoller oder kunstwissenschaftlicher “Lauf- und Stehbilder”. Bloße Unterhaltungsspielfilme waren dem Künstlerhauskino verboten. Der Spielbetrieb im noch nicht erbauten Künstlerhauskino musste in drei Monaten(!) beginnen, außerdem war die Konzession zeitlich bis zum 31. Dezember 1949 beschränkt. Das waren unmögliche Bedingungen. Die Konzession erhielt außerdem ausschließlich die Gesellschaft zur Deckung ihres Haushalts; eine Verpachtung oder Gründung einer besonderen gewinnbringenden Betriebsgesellschaft war nicht möglich.4
Zu dieser Zeit dachte man im Ausschuss bereits an die Errichtung und Führung des Kinos in Eigenregie. Kommerzialrat Josef Siller hatte sich inzwischen von allen Planungen zurückgezogen und starb überdies am 19. September 1948. Die Konzession wurde der Gesellschaft nur Dank der persönlichen Intervention des kunstsinnigen Bürgermeisters Dr. Theodor Körner erteilt. Mit den, gegenüber dem Künstlerhaus feindlich agierenden Magistratsbeamten stand man in keinem guten Einvernehmen. Das zeigte sich in der durch keine vernünftigen Gründe motivierten Beschränkung der Konzession, vor allem aber aus der unerfüllbaren Bedingung nach dem praktisch sofortigen Beginn des Spielbetriebs. Dabei gab es im Künstlerhaus bis Ende Oktober 1947 die politisch wichtige “Erste Österreichische Kunstausstellung”; die Abbauarbeiten dauerten bis Mitte November 1947. Ihr folgte die eigene “Weihnachtsausstellung” mit begleitenden eigenen und eingemieteten Veranstaltungen, auf deren Einnahmen die Gesellschaft nicht so ohne weiteres verzichten wollte und auch nicht konnte. So war ein Baubeginn vor dem Frühjahr 1948 überhaupt nicht möglich, mit der Aufnahme des Spielbetriebs konnte man frühestens im Spätherbst 1948 rechnen.
Um von diesem Zeitplan die MA 7 – das Kulturamt – zu überzeugen, war eine weitere Intervention des Bürgermeisters nötig, sonst wäre die Konzession verfallen. Die bauwirtschaftliche Genehmigung wurde am 4. Februar 1948, die Baubewilligung am 23. Februar 1948 erteilt. Am 26. Februar ersuchte die Gesellschaft bei der MA 7 um eine Fristverlängerung zur Aufnahme des Spielbetriebs bis zum 15. November 1948; die diesbezügliche Magistrats-Bewilligung, datiert mit 22. Oktober 1948, langte im Künstlerhaus am 16. November 1948 ein. Die Frist wurde bis zum 30. November 1948 verlängert.
Mit einem weiteren Bescheid vom 22. Oktober 1948, im Künstlerhaus eingelangt am 10. Dezember 1948(!) wurde die Konzessionsbeschränkung vom 26. August 1947 präzisiert: der mit der Überwachung der vorgeschriebenen Beschränkung betraute Dr. Robert Kraus verlangte von der Gesellschaft den Titel und den Verleiher der Filme jeweils mindestens drei Wochen vor der beabsichtigten Aufführung bzw. der öffentlichen Ankündigung zu erfahren.
Zu dieser Zeit war das Kino jedoch immer noch in Bau. Infolge der ursprünglich weit unterschätzten schwierigen Nachkriegsverhältnisse, insbesondere des immer noch herrschenden Baumaterialmangels konnten viele Handwerker die geplanten und vereinbarten Fristen oft nicht einhalten. Am 20. November 1948 suchte man deshalb um eine weitere Fristverlängerung zur Aufnahme des Spielbetriebs bis zum 31. Jänner 1949. Diesmal dauerte die magistratische Erledigung ungewohnt kurz: ein diesbezüglicher Bescheid trägt das Datum 23. November 1948, dem Ansuchen der Gesellschaft wurde stattgegeben.
Gegen die Art der Formulierung der Filmbeschränkung hat die Gesellschaft am 22. Dezember 1948 berufen. Jede verlangte Anzeige kam einer Zensur gleich und machte jede verbindliche Programmierung der Verleihfirmen unmöglich. Der Berufung gab die Wiener Landesregierung am 15. Jänner 1949 tatsächlich nach: Die verlangte Anzeige wurde als den Beschlüssen der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, Staatsgesetzblatt Nr. 3, widersprechend angesehen. Die Behörde könnte erst im Nachhinein eine eventuelle Konzessionsüberschreitung ahnden.
Mit Bescheid vom 24. Februar 1949 (im Künstlerhaus eingelangt am 19. März 1949) versuchte Dr. Robert Kraus seinen Standpunkt und die Konzessionsbeschränkung zu bekräftigen. Dabei argumentierte er sogar mit den Statuten der Gesellschaft; sollte sie den statutenmäßigen Wirkungsbereich überschreiten, könnte sie nach seinen Worten sogar selbst aufgelöst werden.
Mit einem Brief vom 28. Februar 1949 (im Künstlerhaus eingelangt am 9. März 1949) verlangte Dr. Kraus ungeachtet des Beschlusses der Wiener Landesregierung vom 15. Jänner 1949 neuerlich die Einhaltung seiner Beschränkung auf Kulturfilme. Das “Filmtheater Künstlerhaus” wurde nämlich inzwischen eröffnet und nach eingeholtem “Gutachten” der MA 7 war schon der erste im Künstlerhaus gezeigte Film “Die vier Federn” als nicht künstlerisch wertvoll zu bezeichnen. Durch diese Vorführung hat die Gesellschaft die ihr erteilte Befugnis zum Betrieb eines Kinos angeblich bereits überschritten; im Wiederholungsfall wären Zwangsmaßnahmen der Gemeinde unvermeidlich.
Das Künstlerhaus antwortete Dr. Kraus nun ebenso dezidiert: Die Konzessionserteilung schließt nur auf bloße Unterhaltung abzielende Spielfilme aus. Der Drehbuchautor des Films “Vier Federn” A. E. W. Mason war einer der erfolgreichsten englischen Schriftsteller, seine gleichnamige Novelle war seinerzeit eine Weltsensation und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Der Film wurde von Meistern der Filmkunst mit erstklassigen Schauspielern gedreht; sowohl die englische, wie auch die Weltpresse hat sich über diesen Film lobend ausgesprochen; beim Filmfestival in Venedig wurde dieser Film mit dem Goldenen Pokal ausgezeichnet, einer der höchsten Auszeichnungen, die ein Film erreichen konnte. Der zweite Geschäftsführer des Kinos und mit der Programmierung beauftragte Maler Leopold Hauer hat überdies aus Eigenem anlässlich der Einladung zur Kinoeröffnung die MA 7 über diesen Film schon vor der Aufführung informiert. Er ersuchte das Kulturamt um eine Abschrift des dem im Künstlerhaus bislang unbekannten negativen “Gutachtens”.
Leopold Hauer war als Hausmitglied zum “künstlerischen Leiter” des Kinos ernannt worden; ihm oblagen die definitive Auswahl der Filme und die Werbegestaltung. Als Entgelt bekam er 1 % der Bruttoeinnahmen abzüglich die Wiener Lustbarkeitsabgabe, erst später ein fixes Gehalt. Nach Jahresende 1965-1966 schied Leopold Hauer von dieser Funktion aus. Der bereits vor dem Kinobau feststehende Geschäftsführer Gustav Scheibenpflug stammte aus der Filmbranche; er blieb im Künstlerhauskino bis 1952 beschäftigt.5
Um die inzwischen hochgeschaukelten Differenzen zwischen dem Künstlerhaus und der MA 7 zu beruhigen, kam es am 22. März 1949 im Unterrichtsministerium zu einer gemeinsamen Sitzung, an der Leopold Hauer für das Künstlerhaus, Senatsrat Dr. Robert Kraus für das Magistrat und vermittelnd die für das Film- und Lichtbildwesen zuständigen Ministerialräte Dr. Johann Haustein und Dr. Karl Wisoko teilnahmen. Die zeitweise heftige Diskussion brachte interessante Details zum Vorschein: Das Künstlerhauskino war das einzige(!) Kino Wiens, das mit einer solchen Konzessionsbeschränkung belegt wurde und für deren Überprüfung die MA 7 sogar eine eigene Prüfungskommission(!) gebildet hatte. Es kam ein politisch motiviertes Streben der Gemeinde zutage, das Künstlerhauskino nur solche Filme spielen zu lassen, die keine sogenannten Kassenschlager wären. Nicht nur, dass das Künstlerhauskino der gemeindeeigenen “Kiba” keine Konkurrenz machen durfte, man wollte es in den finanziellen Ruin treiben, um dann als Retter aufzutreten und das Kino von der “Kiba” übernehmen zu lassen. Die Konzessionsbeschränkung war äußerst dehnbar und jederzeit als Waffe gegen das Künstlerhaus einsetzbar.
Dass durch die Sitzung nun die Ziele von Dr. Kraus auch dem Ministerium bekannt wurden, brachte doch eine gewisse Beruhigung. Im Dezember 1949 wurde anlässlich der Konzessionserneuerung (28.12.1949) die Beschränkung neu formuliert, wenn auch nicht vereinfacht; sie blieb “auf die Vorführung kulturell wertvoller Lauf- und Stehbilder, jedoch mit Ausschluß der auf bloße Unterhaltung abzielenden Spielfilme” in Geltung. Die Konzession musste, wie allgemein üblich, in regelmäßigen Abständen immer wieder verlängert werden.6 Doch mit der Auslegung, was ein künstlerisch wertvoller Film ist und was nicht, sollte es künftig kaum mehr Probleme geben. Auch die anfangs täglich(!) durchgeführten technischen Kontrollen durch die MA 35 wurden nach und nach freundlicher und seltener. Dr. Kraus schied 1955 aus dem Kulturamt aus. Doch zurück zum Bau:
Die ersten Pläne des Architekten Alfons Hetmanek vom Sommer 1946 sahen das Kino noch ebenerdig vor, mit etwa 350 Sitzplätzen im Parterre und einer Galerie oberhalb des hinteren Parterrebereiches. Der Kinoeingang war traditionell an der Karlsplatzseite projektiert, die Notausgänge in die Akademie- und Bösendorferstraße. Das linke Oktogon war in die Kinoanlage als Buffetraum integriert. Die Innenausstattung sollte dem “Range des Bauherrn” entsprechend von besonderer künstlerischer Qualität und durch Mitglieder der Gesellschaft ausgeführt werden. Die reinen Baukosten, ohne technische Ausstattung, wurden im September 1946 von Hetmanek auf 270 000 S geschätzt.
1947 arbeitete der Architekt Hetmanek neue Pläne aus: Der Deutsche Saal wurde durch eine Zwischendecke unterteilt und dafür auf eine Galerie verzichtet. Der Zuschauerraum wurde nun im Obergeschoß projektiert, die Garderobe und das Buffet im Parterre. Auf das Oktogon wurde nicht mehr reflektiert, es blieb für Ausstellungszwecke erhalten, was auch sinnvoller war. Der Haupteingang wurde nun seitlich in die Akademiestraße verlegt und durch einen Vorbau vergrößert. Zwei Ausgänge, zum Karlsplatz und in die Bösendorferstraße, ermöglichten einen raschen Publikumswechsel. Im Laufe des Baues kam es dann noch zu mehreren Korrekturen, so bei den Fundamenten, der künstlerischen Ausstattung und auch bei der Bestuhlung, die sogar noch in den Monaten nach der Kinoeröffnung mehrmals geändert wurde. So hatte man im Jänner 1949 insgesamt 446 Sitze, im Mai 1949 488 Sitze, im Juli 1949 501 und im November 1949 494, bald darauf wieder 501 Sitze.
Außer durch das fehlende Material – manche Materialien waren noch zuweisungspflichtig – hatten sich die Bauarbeiten auch durch diese Änderungen verzögert. Im Gegensatz zu den Anfangszeiten des Künstlerhauses vor 80 Jahren waren die beschäftigten Firmen nicht bereit, der Gesellschaft irgendwie entgegenzukommen. Ja im Gegenteil, manche Rechnungen zeigten sich im Nachhinein offensichtlich als übertrieben. Unverständlicherweise erhob der mit dem Bau betraute Architekt Hetmanek dagegen keine Einwände, alle Rechnungen wurden von ihm anerkannt.
Da das Künstlerhaus nach dem Krieg über keine eigenen Kapitalreserven verfügte, finanzierte man den Kinobau aus einem, durch das ao. Mitglied Generaldirektor Karl Weninger ausgehandelten günstigen Kredit in der Höhe von einer Million Schilling. Beim Abschluss des Vertrags versicherte Alfons Hetmanek, mit diesem Betrag ein “Schmuckkästchen” herzustellen.
Trotz dieser gesicherten Finanzierung hatte Präsident Karl M. May aus gewisser Vorahnung den nahezu aussichtslosen Versuch unternommen, bei der Postdirektion anlässlich des achtzigjährigen Künstlerhausjubiläums 1948 um eine Briefmarkenserie anzusuchen. Doch wider jedes Erwarten, war doch schon ein Jahr vorher für die “Erste österreichische Kunstausstellung” eine Briefmarkenserie bewilligt worden, wurde das Künstlerhausansuchen dem Ministerrat vorgeschlagen und von ihm auch diesmal bewilligt. Generaldirektor Karl Weninger und Präsident Karl M. May gelang es in zähen Verhandlungen anschließend den Hauptteil des Reinerlöses dieser Serie für das Künstlerhaus zu sichern.
Im Frühjahr 1948 rechnete man mit der Eröffnung des Kinos im Herbst desselben Jahres. Als jedoch in der zweiten Oktoberhälfte von einer baldigen Fertigstellung immer noch nichts zu sehen war, wurde der Ausschuss stutzig und ersuchte den Architekten Otto Schönthal den Bau zu überprüfen. Um diese Zeit hatte Architekt Hetmanek mit seinem Schreiben vom 20. Oktober 1948 dem Rechtsberater bekanntgegeben, dass die vorgesehenen Baukosten von einer Million(!) noch um etwa ein hundert tausend Schilling überschritten werden. Nur drei Tage später, während der Überprüfung durch Baurat Schönthal, musste Hetmanek zugeben, dass sich die Baukosten nicht nur auf 1 100 000, sondern auf 1 650 000 Schilling erhöhen werden. Damit hatte Hetmanek eindeutig seine Befugnisse weit überschritten und das vom Ausschuss in ihn gesetzte Vertrauen gründlich missbraucht.
Hetmanek wurde die Bauführung entzogen und am 26. Oktober 1948 der Baurat Hans Jaksch mit der Fertigstellung des Kinos betraut. Nur Jaksch und seinem persönlichen Einsatz war es zu verdanken, dass man im Jänner 1949 tatsächlich mit dem Spielbetrieb beginnen konnte. Jaksch hatte anschließend noch alle, bereits von Hetmanek signierten Rechnungen überprüft und abgeschlossen. Leider musste man dabei feststellen, dass die Gesamtbaukosten des Kinos nicht eine Million, und nicht auch die bereits erwarteten Steigerungen, sondern ganze 1.903.000 Schilling erreichten. Durch die unverantwortliche Handlungsweise Hetmaneks geriet der Leitende Ausschuss – abgesehen von den Schwierigkeiten mit dem Kulturamt – in eine äußerst unangenehme Lage, die nur durch die ursprünglich nicht einkalkulierten Erlöse aus der Briefmarkenserie gelindert werden konnte. Trotzdem konnten manche Rechnungen erst Monate, ja sogar Jahre später beglichen werden.7
Für die künstlerische Ausstattung des Kinos wurde am 17. Juni 1948 unter den Künstlerhausmitgliedern ein Wettbewerb ausgeschrieben. Der Einreichungstermin war mit dem 5. Juli 1948 relativ knapp bemessen. Die Entwürfe der Maler waren im Maßstab 1:20, die der Bildhauer eventuell auch 1:10 einzusenden. Die Bewertung nach Punkten nahm eine Selbstjury aller Beteiligten am 7. Juli 1948 statt.
Jeder Preisrichter hatte schriftlich sechs Punkte zu vergeben, sich selbst Punkte zu geben, war jedoch nicht gestattet. Nach Auszählung der abgegeben Stimmen und Öffnung der betreffenden Kennkuverts standen von 19 Einsendungen die Sieger fest: die Maler Rudolf Hermann Eisenmenger, Heinrich Krause, Rudolf Holzinger und Günther Baszel sowie die Bildhauer Rudolf Schmidt, Alfons Riedel, Ferdinand Opitz und Erich Pieler.
In den folgenden Tagen wurden die von den Siegern durchzuführenden Arbeiten abgesprochen, aufeinander abgestimmt und verteilt. Nachdem Krause und Baszel jedoch auf ihre Mitwirkung wieder verzichtet hatten, lud man zur Mitarbeit noch einige weitere Künstler direkt ein.8 Bei der Eröffnung im Jänner 1949 präsentierte sich die künstlerische Ausschmückung des Kinos wie folgt:
- Die Architektur und Gesamtgestaltung: Alfons Hetmanek.
- Sgraffiti auf der Außenseite des Eingangs: Leopold Schmid (Filmmotive: Rechts: Bauernmutter als Vertreterin des Heimatfilms, Romantik der exotischen Länder, Festlichkeiten, Ausseer Fasching, Arbeitswelt in der amerikanischen Fließbandindustrie. Links: Madam Curie als Vertreterin der Wissenschaftsfilme, Cäsar und Cleopatra für Geschichtsfilme, Clown für Humor und Lustspiele, Bergsteiger und Pinguine für Expeditionsfilme.)
- Dekorative Malereien im Kassenraum des Kinos: Rudolf Pleban (Kreislauf des Lebens).9
- Wandbilder im Kinosaal: Rudolf Hermann Eisenmenger, Ausführung unter Mitarbeit von Rudolf Holzinger (6 m hoch, 13 m lang; Rechts: die am Karlsplatz bereits beheimateten bildenden Künste, Musik und Dichtung. Links: die nun in das Künstlerhaus kommenden Künste Film und Theater.).
- Zwei große Stuckreliefs an der Decke: Rudolf Schmidt (arkadische Szenen “Idyll” und das “Drama” – Frauenraub durch Kentauren).
- Freihängende kreisrunde Reliefs mit musizierenden und tanzenden Putti als Beleuchtungsblenden: Ferdinand Opitz, Erich Pieler.
- Kristallbeleuchtungskörper: J. & L. Lobmeyr, Josef Zahn.
- Mahagonimasken rechts und links der Bühne: Alfons Riedel.
- Blumenbilder an der Eingangstür zur Mittelloge10: Carlos Riefel.
Nicht nur aus optischen, sondern auch aus akustischen Gründen war ein Teil des Kinosaals vom Kunsttischler Anton Pospischil, der auch einige Möbel lieferte, mit Mahagoni getäfelt. Der Raum hinter der Täfelung wurde mit Glaswolle ausgefüllt, ähnlich auch hinter den gespannten Textiltapeten und den Gemälden. Erst nach der vollständigen Fertigstellung des Saals konnte man die Tonapparatur abstimmen, damit alle Frequenzen gleichmäßig zu hören waren. Die wichtigsten Apparaturteile waren doppelt vorhanden, sodass beim Versagen auf ein zweites Gerät umgeschalten werden konnte. Eine Besonderheit bildeten damals zusätzliche Kopfhörer für Schwerhörige, die man an der Kasse entlehnen und durch Stecker an manchen Sitzen anschließen konnte. Diese Kopfhörer wurden jedoch wenig benützt und einige Jahre später bei der Auswechslung der Bestuhlung nicht mehr erneuert.
Während viele der damals in Wien befindlichen Kinos nur schwarz-weiß Filme zeigen konnten, bekam das Künstlerhauskino gleich die zur Vorführung von Farbfilmen notwendigen zwei- bis dreimal so starken Projektoren. Durch sie wurden auch die dunkelsten Filme ausreichend ausgeleuchtet und ergaben ein einwandfreies Bild. Vor der Leinwand gab es eine Bühne, an der kurze Kabarettszenen, Modevorführungen oder ähnliches gezeigt werden konnten. Der Vorhang und die Bühnenbeleuchtung wurden vom Filmvorführraum ferngesteuert.
Statt der damals in Wien noch üblichen Ventilationsanlage besaß das Künstlerhaus bereits eine moderne, zu dieser Zeit erst in Mode kommende Klimaanlage, mit der man jede gewünschte Temperatur einstellen konnte. In den folgenden Jahren wurde diese Klimaanlage allerdings wegen des manchmal als unangenehm empfundenen Luftzugs und des zu hohen Wasserverbrauchs zum Sorgenkind aller Geschäftsführer.
Die Kinoeröffnung fand am 14. Jänner 1949 mit drei Vorführungen (um 15.00, 17.45 und 20.30 Uhr) des englischen Indien-Films “Die vier Federn” vor geladenen Gästen statt: der Regierung, des Parlaments, der Gemeinde, den Vertretern der Filmbranche und den Mitgliedern. Der Abendvorstellung wohnten neben dem Bundespräsidenten Dr. Karl Renner auch der Bürgermeister Dr. Theodor Körner bei, dessen persönlicher Einsatz die Errichtung des Künstlerhauskinos erst ermöglicht hatte. Ein Tag vorher, am 13. Jänner, gab es eine Pressekonferenz; der normale Spielbetrieb begann am 15. Jänner 1949 mit vier(!) Vorstellungen täglich: um 13.30, 15.45, 18.00 und 20.15 Uhr.
Der Publikumsandrang war so groß, dass bei der Eröffnung des Vorverkaufs am 12. Jänner 1949 sogar die Polizei um Hilfe gebeten werden musste. Die Wartenden drückten die Tür ein, überrannten das Hauspersonal und einen bereits dort postierten Polizisten und stürmten das Foyer. Dabei zerbrachen drei Glasscheiben. Das Gedränge wurde so groß, dass es bald überhaupt niemandem mehr möglich war, den Kassaraum wieder zu verlassen. Erst zusätzliche Polizeikräfte ordneten die Menge vor dem Eingang und ermöglichten dadurch den Vorverkauf.
Vom Publikum gut aufgenommen wurde die im Künstlerhaus gezeigte neue Art der Dia-Werbung, zu der sogar eine eigene Gesellschaft gegründet wurde: die “Künstlerhaus-Filmtheater-Werbung, Dipl. Ing. G. Knapp & R. Nuske O.H.G.”, Wien 7, Neubaugürtel 4. Dipl. Ing. Knapp schloss Verträge mit Interessenten ab, die ungewohnte künstlerische Gestaltung der Dia übernahmen Künstlerhausmitglieder.11 Bereits bei der Eröffnungsvorstellung wurden folgende Diapositive gezeigt: für die Künstlerhauswerbung selbst, gestaltet von Rudolf Pleban; für die Firma Franz Czeika von Hans Wulz; Collonil: Herbert T. Schimek; Dermotta: Franz Giessel; Protus: Wilhelm Dachauer; Lustig: Erich Miller-Hauenfels; Cabos: Reinhold Klaus; Wertheim & Co.: Vinzenz Gorgon; Darmol: Robert Fuchs; Krivan & Co.: Ferdinand Andri; Pospischil: Siegfried Theiss; Petko: Ernst Schrom; Bundesverlag: Rudolf Heinz Keppel; Friseur Ludwig: Othmar Peter Hartmann; Hengl: Franz Windhager; Künstlerhausgschnasfeste: Fritz Zerritsch, Othmar Peter Hartmann und Ernst Schrom.
Für jeden Entwurf bekamen die Künstler rund 200 Schilling Honorar. Die Zusammenarbeit mit der Firma Knapp dauerte jedoch nicht lange. Bald kam es zu Differenzen, hauptsächlich wegen der unregelmäßigen finanziellen Abrechnungen und Zahlungsunwilligkeit Knapps. Als der Vertrag 1953 auslief, wurde er nicht mehr erneuert.
Eine weitere Beteiligung der Mitglieder am Kino, hauptsächlich als soziale Unterstützung gedacht, gab es bei der Gestaltung der Ankündigungstafeln. Anfangs wurden stets mehrere Künstler gleichzeitig in der Art eines kleinen Wettbewerbs um Entwürfe gebeten; bald ging man davon jedoch ab und bestimmte jeweils nur noch einen Maler – je nach seiner Bedürftigkeit und seinem bekundeten Interesse an dieser Arbeit. Die Honorare, jeder am Wettbewerb teilnehmende Künstler bekam etwas, pendelten sich 1950 bei 600 Schilling für figurale Kompositionen und 400 Schilling für reine Schrifttafeln ein.12
Im Februar 1952 sprach sich Leopold Hauer für neue Lichttafeln mit auswechselbaren Buchstaben aus; die bisher für Honorare verwendete Summe sollte für Kunstankäufe zugunsten des Hauses verwendet werden. Der Ausschuss nahm diese Idee an und wollte sie auch durchführen, bis sich zeigte, dass die Lichttafeln 5000 Schilling kosten würden, die man nicht hatte. So blieb man auch weiterhin bei von Künstlern bemalten Platten und Leinwänden.13 Zu dieser Zeit zahlte man für jede Tafel 500 Schilling.
1962 wollte die Ausstellungskommission wieder den Wettbewerb mit jeweils drei Entwürfen einführen und schlug als Honorar hundert Schilling pro Entwurf, 800 Schilling pro Ausführung vor.14 Das Interesse der Künstler an diesen Tafeln war recht schwankend; es gab Zeiten, wo sich viele meldeten, Mitte der siebziger Jahren konnte man dagegen keinen Interessenten mehr finden.15
Neben der Klimaanlage, mit der man durch Jahre hindurch experimentierte, gab es jeden Winter Probleme mit der Garderobe. Sie war eindeutig falsch platziert und man dachte schon im November 1949 an ihre Verlegung. Die zur Garderobe Eilenden waren durch Wartende auf die nächste Vorführung gestört, es kam oft zu unangenehmen Bedrängnissen. Erst als man im Februar 1951 die Beginnzeiten der Vorstellungen um 15 Minuten auseinander rückte, konnte die Garderobe leichter bewältigt werden. Zu einem Umbau kam es anlässlich einer Erweiterung des gesamten Warteraums mit Jahresende 1954.
Obwohl man schon 1950 an die Ausnützung des Warteraums zu Ausstellungszwecken dachte und im Dezember 1952 dort eine kleine Weihnachts-Verkaufsausstellung eingerichtet wurde, hatte man doch noch im Jänner 1955 ein Wettbewerb zur definitiven künstlerischen Ausgestaltung dieses Raumes ausgeschrieben. Am 18. Februar 1955 ging man von diesem Wettbewerb jedoch wieder ab und beschloss, den Vorraum für Wechselausstellungen zu verwenden.16 Trotzdem wurde auch dieser Gedanke nicht verwirklicht; erst im Dezember 1961 zeigte man hier eine Kollektion von Erich Miller-Hauenfels.
Im Februar 1952 wurde dem Künstlerhaus eine Nylon-Projektionswand offeriert; die daraufhin durchgeführten Versuche fielen allerdings nicht sehr überzeugend aus und die Leinwand wurde nicht angeschafft. Obwohl die davor befindliche Bühne für größere Veranstaltungen nicht gerade ideal war, bekam man doch oft Angebote für dort durchzuführende größere Modeschauen. Um die Zugänge der Models zu erleichtern, erhielt die Bühne 1953 eine zusätzliche Stiege.
Während der Tage zwischen dem 13. und 16. Juli 1953 wurde das Kino zum ersten Mal geschlossen, um Türen, Fenster, Heizkörpergitter und ähnliches zu streichen und die Nebenräume ausmalen zu können.17
Das Künstlerhauskino hatte einen Riesenerfolg. Nicht nur, dass jede Vorstellung fast immer ausverkauft war, das Interesse war so groß, dass die Eintrittskarten sogar im Schleichhandel verkauft wurden. Öfters wurden solche Karten auch von der Polizei beschlagnahmt und dem Künstlerhaus zum Weiterverkauf rückübermittelt. Der Erlös ging in diesem Fall zugunsten des magistratischen Bezirksamts für den ersten Bezirk ein.
Durch dieses allgemein unerwartete, breite Publikumsinteresse an Kunst- und Kulturfilmen angeregt, entstand in Wien 1951 aus dem Theater “Die Insel” ein Avantgardekino; 1954 im Gebäude des “Flottenkinos” (das ursprünglich dem “Österreichischen Flottenverein” zur Förderung der maritimen Interessen Österreich-Ungarns angehörte) ein gemeindeeigenes “Art-Studio” und 1956 ein weiteres einschlägiges Kino in der Albertina. Gegen diesen Bau protestierte damals das doch nahe liegende Künstlerhaus, allerdings erfolglos. Wie es sich dann zeigen sollte, konkurrierten sich diese Kinos nicht, sondern ergänzten einander und erweiterten das in Wien gezeigte Filmangebot. Ein die Zuschauer weglockendes Fernsehen gab es noch nicht.
Im Laufe des Jahres 1952 wurde das Künstlerhauskino im Auftrag des Leitenden Ausschusses intern überprüft. Man suchte nach Möglichkeiten die Organisation zu verbessern und die Selbstkosten zu senken. Das Publikumsinteresse begann zu dieser Zeit nach den sehr erfolgreichen ersten drei Jahren langsam abzunehmen, die Spieldauer jedes einzelnen Films wurde kürzer, der Gewinn geringer. Vor allem an den Personalkosten wollte man sparen: das Kino hatte zu dieser Zeit 13 Mitarbeiter. Geschäftsführer und Programmierer war der Maler Leopold Hauer (zur Ausübung der Konzession vom Magistrat am 1.3.1949 genehmigt; ab dem 1. Dezember 1950 Angestellter der Gesellschaft); der Kinoleiter Gustav Scheibenpflug schied mit dem 30. September 1952 aus (* 10.5.1885; magistratische Genehmigung zur Ausübung der Konzession ebenfalls 1.3.1949). Weiters gab es einen Buchhalter, einen Operateur, einen zweiten Operateur, der gleichzeitig als Billeteur im Einsatz war, drei weitere Billeteure, zwei Kassiererinnen, eine Garderobenfrau und drei Frauen für die Reinigung. Wie die Überprüfung ergab, war hier nichts zum Einsparen; nur die Garderobe wurde ausgeklammert und der bisher dort beschäftigten Frau in Pacht gegeben.
Zwischen dem 16. Juli 1956 und dem 23. August 1956 wurde unter der Leitung des Hausarchitekten Dr. Franz Peydl das Kino auf Cinemascopeformat umgerüstet. Dabei wurde neben den notwendigen Arbeiten an der Bühne und der Technik auch der Saalboden instand gesetzt. Die Leinwand, bisher im Verhältnis 3:4, wurde auf doppelte Breite vergrößert, also 3:8. Die veranschlagten Kosten betrugen 285 000 S, tatsächlich kostete dann der Umbau genau 285 110,19 S. Architekt Peydl wurde die Zufriedenheit des Leitenden Ausschusses ausgesprochen.18
Im Sommer 1958 wurde ein zusätzlicher 16 mm Projektor angeschafft, um auch Sondervorführungen in diesem Filmformat durchführen zu können. Um dem Nachtportier einen ungehinderten Kontrollgang durch alle Kinoräume zu ermöglichen, versetzte man im Sommer 1959 beim Buffet eine Tür. Im Dezember 1959 kam zu den von Beginn an vorhandenen Neon-Inschriften (viermal KINO, einmal KÜNSTLERHAUS) am Kinodach noch eine neue Inschrift KINO KÜNSTLERHAUS KINO, die blauen Worte KINO 60 cm hoch, das weiß leuchtende KÜNSTLERHAUS 50 cm. Zwischen dem 23. und 24. Dezember 1959 verlegte man einen neuen Semperit-Terravinyl-Plastikbodenbelag, mit dem es aber schon bald Probleme gab.
Während des Jahres 1960 wurden beim normalen Betrieb nach und nach die Stühle im Saal ausgewechselt (Lehnen oben gerade und eckig); die alte (oben runde) Bestuhlung an Kinos in Horn und Groß-Pertholz verkauft. Im Herbst 1960 schrieb der Ausschuss einen Wettbewerb zur Neugestaltung der Schaufenster seitlich des Kinoeingangs aus. Sieger wurde aus acht eingesandten Entwürfen der Architekt Walter Jaksch. Ausgeführt wurde sein Entwurf aus finanziellen Gründen allerdings nicht.
Dringender als kosmetische Fassadenkorrekturen war die Erneuerung der technischen Apparatur. Im Dezember 1960 wurden statt den bisher verwendeten Friedl-Chaloupka Geräte neue Zeiss-Ikon-Projektoren mit Xenonlampen bestellt und am 9. Februar 1961 montiert. Gleichzeitig entfernte man eine innere Seitenwand des Vorführraumes. Dies alles geschah ohne Unterbrechung des normalen Spielbetriebs.19
Bei diesem Umbau zeigte es sich, dass die 1956 montierte, 3,15 x 7,90 m große Leinwand stark vergilbt und verschmutzt war. Sie wurde deshalb Ende Februar 1962 durch eine englische Perllux-Projektionswand ersetzt.
Im August 1964 wurde durch das Herausnehmen der 14. Reihe ein zusätzlicher Durchgang zwischen den Sitzen geschaffen; die Sitzanzahl verringerte sich von 501 auf 482 Sitze.
Mit dem 31. Jänner 1966 schied Leopold Hauer altersbedingt aus dem Künstlerhauskino aus. Mit seinem Abgang begann für das Kino eine Zeit der Unsicherheit und Probleme. Der Nachfolger Hauers, der Filmkritiker Fritz Drobilitsch-Walden blieb nur kurze Zeit; dessen Nachfolger Goswin Dörfler, auch ein Kritiker, brachte das Kino durch ausgesprochen unrichtige Programmierung fast an den Rand des Ruins. Mit dem 1. Mai 1972 übernahm die Programmierung die Lichtspieltheater-Betriebsgesellschaft mbH. (im Hause Constantin-Film), wodurch man zumindest diese Sorge los war. Die heroischen Zeiten des Künstlerhauskinos waren damit allerdings zu Ende, obwohl die künstlerische Linie von der Betriebsgesellschaft im Großen und Ganzen fortgesetzt wurde. Die Lichtspieltheater besorgten die Programmierung bis zum 30.4.1997. Kommerzieller Geschäftsführer war nach Leopold Hauer bis zum 31. Dezember 1973 der ursprüngliche Operateur Wilhelm Gober, nach ihm Ernst Tunk und nach seiner Kündigung mit 30. September 1975 Präsident Hans Mayr.
Zwischen dem 2. November und 15. Dezember 1971 wurde das Kino durch die Architekten Kunibert Gaugusch und Othmar Sackmauer innen vollständig renoviert, obwohl dies eigentlich noch nicht notwendig gewesen wäre. Die Anregung dazu gab im Juni 1970 Direktor Robert Jungbluth, dem das Künstlerhauskino schon etwas „schäbig“ vorkam. Jungbluth hätte das Kino sogar total umgebaut und gerne auch dekorativ “modernisiert”; dagegen verwahrte sich glücklicherweise der Ausschuss, die ursprüngliche eigene Note des Kinos musste unbedingt gewahrt bleiben. So wurde nur die Perllux Projektionswand ausgetauscht, der Saalboden erneuert, die alte Bestuhlung neu gepolstert und die Sitzzahl durch Vergrößerung der Abstände auf 385 reduziert. In die Gesamtarchitektur wurde aber nicht eingegriffen. Neu gestaltet wurde das Foyer, wo eine ständige Galerie zeitgenössischer Kunst entstand, die erste in einem Wiener Kino überhaupt. Sie wurde am 18. Dezember 1971 mit einer Ausstellung von Valentin Oman eröffnet.
Die veranschlagten Umbaukosten von 903 000 Schilling wurden von den Architekten um 205 000 S überschritten. Das brachte heftige Proteste des Vermögensberaters Dr. Gerhard Ottel, der die Architekten sogar vor den Ehrenrat zitieren wollte. Doch bald beruhigten sich die Wogen; ein repräsentatives und sauberes Kino war für das Künstlerhaus lebensnotwendig und die Investitionen konnten durch einen Verkauf aus der hauseigenen Kunstsammlung gedeckt werden.20
Zwischen dem 11. und 25. August 1975 sowie zwischen dem 9. August und 15. September 1976 wurde das Kino neuerlich saniert und die Bestuhlung weiter reduziert. Im gesamten Saal wurde ein Teppich verlegt und die Logen entfernt. Weiters wurden Wände und Decke neu ausgemalt sowie die Projektionswand gewaschen. Statt den bisherigen nur teilweise gepolsterten Holzstühlen (sie wurden wieder an Provinzsäle verkauft) wurden 288 vollgepolsterte Sessel montiert, mit wesentlich größeren Abständen sowohl hintereinander als auch nebeneinander. Wie bereits in vielen großen Städten Europas üblich, wurden die Sessel nicht mehr nummeriert; die nicht mehr so zahlreichen Besucher konnten ihre Plätze zu einem Einheitspreis im ganzen Saal selbst frei wählen.
Diese Neuerung stieß bei den Besuchern jedoch nicht immer auf Verständnis. Probleme ergaben sich vor allem bei Gruppen, die beisammen bleiben wollten und nun nicht immer genügend freie Plätze nebeneinander fanden. Es entstanden öfters unerfreuliche Debatten, die Leidtragenden waren die Billeteure. Im November 1976 wurde deshalb die alte Nummerierung der Sitze wieder eingeführt.
Die Architektensektion sprach sich damals für einen totalen Kinoumbau aus, so auch für die Verlegung der Kassen, des Buffets, der Garderobe, der Toiletten und sogar für die Abtragung des ganzen Vorbaues. Dieses Vorhaben wurde zwar diskutiert, zu seiner im Grunde doch unnötigen Durchführung kam es jedoch mangels finanzieller Mittel – zum Glück – nicht.21
Vor dem Filmfestival “Viennale” im Oktober 1978 wurden wieder die schon einmal vorhanden gewesenen Kopfhörer eingeführt, diesmal aber nicht für Schwerhörige, sondern für Filme im Zweiton in Originalfassung bzw. mit Simultanübersetzung.
Im September 1981 wurden anlässlich eines von der Gemeinde Wien gewünschten Opernfilmfestivals die Projektoren und die gesamte Tonanlage erneuert. Die Kosten dieser Modernisierung wurden zur Hälfte subventioniert.22 Im Mai 1984 wurde der Kinonotausgang Bösendorferstraße erneuert, im August 2000 durch Architekt F. Hueber das Kinofoyer komplett umgebaut und unter Verzicht auf Büro- bzw. Abstellräume einige der Zwischendecken entfernt, sodass ein helleres, großzügigeres Entree mit unterschiedlicher Plafondhöhe entstand. Leidtragende war allerdings die Filmsektion, die ihr Büro verlor; die Filmemacher zogen sich nach Differenzen mit der Gesellschaftsleitung aus dem Gesellschaftsleben weitgehend zurück.23 Für die Idee im Foyer ein „Filmnetcafé“ einzurichten, in dem Trailer-Shows, Infos über Filmfestivals und Film-Links angeboten werden, bekam das Künstlerhaus die Siegerprämie der Wiener Kinoförderung in der Höhe von 250 000 ATS.24
Aus der künstlerischen Linie des Künstlerhauskinos entstanden nicht selten Konflikte und Probleme, die den Rahmen einer friedlichen Diskussion überschritten. Als es am 24. September 1950 anlässlich einer Matinee der “Gesellschaft der Filmfreunde” und der Vorführung des kommunistischen Films “Der Rat der Götter” im Publikum sogar zu einer Schlägerei kam, korrigierte man die Linie der Filmauswahl: die im Künstlerhaus gezeigten Filme sollten in Zukunft keiner wie immer gezielten politischen Propaganda dienen.25
Das gelang künftig auch weitgehend. Nur im Dezember 1962 kam es noch zu einer politischen Pressepolemik, als das Kino von Dr. Josef Unterrieder, korrespondierendes Mitglied der “Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland, DDR”, für eine Filmmatinee gemietet wurde. Als Termin vereinbarte man den 2. Dezember 1962, 10.00 Uhr. Kurz vorher, am 28. November, erfuhr der Ausschuss durch eine Anfrage, dass in dieser Matinee der politische Propagandafilm der DEFA “Schaut auf diese Stadt” aufgeführt werden soll. Der Ausschuss verständigte daraufhin Dr. Unterrieder, dass er dieser Vorführung nicht zustimmen kann und bat um eine entsprechende Programmänderung.
Dr. Unterrieder sagte am 1. Dezember die Matinee ab; doch es waren bereits gedruckten Einladungen im Umlauf, wo der DEFA-Film in der DDR-Diktion sogar detailliert beschrieben worden war: Der Film “informiert über die Entwicklung beider Teile Berlins seit 1945 und zeigt an Hand unanfechtbarer Dokumente und mit zwingender Logik die Gefahr, welche West-Berlin für den Weltfrieden darstellt. Der Film enthüllt sensationelle Dokumente, die zum ersten Mal der Öffentlichkeit unterbreitet werden. Er zeigt mit großer Eindringlichkeit, wie unbedingt notwendig die Maßnahmen der Regierung der DDR zum Schutze ihrer Staatsgrenzen waren, wodurch der Ausbruch eines neuen Krieges verhindert wurde…”
Nach diesem Text wundert es nicht, dass das Künstlerhaus von der Presse angegriffen wurde. Kritisiert wurde es dann aber auch wegen der Absage: durch eine in der “Volkstimme” zitierte Presseaussendung der sowjetischen Agentur TASS, die von einem von der Botschaft der Bundesrepublik an das Künstlerhaus ausgeübten Druck(!) zu berichten wusste. Der Film “Schaut auf diese Stadt”, der den Bau der Berliner Mauer rechtzufertigen versuchte, wurde jedoch inzwischen – ohne jede weitere Aufregung – in dem gemeindeeigenen Kiba-Kino “Metro” gezeigt!26 Das Künstlerhaus erreichte nichts und es entging ihm die Miete.
Im September 1953 entbrannten Diskussionen über die Aufführung des französischen Films “Die liebestolle Stadt”, die sich gegen alles richtete: gegen Militär ebenso wie gegen demokratische Auswüchse, gegen die Kirche wie gegen die Kirchenstürmer. Am 24. September 1953, sechs Tage nach Anlaufen des Films, musste nach einer Weisung der Aufsichtsbehörde sogar eine Szene herausgeschnitten werden. Der Gewerkschaftsbund bat aus diesem Anlass zu einer Diskussion in die Urania, wo sich leider auch interne Spannungen zwischen dem Programmierer Leopold Hauer und dem damaligen Kinoleiter, dem Maler Karl Langer zeigten. Da Langer sowohl gegen den Film, als auch gegen den Verleih sprach, kam es anschließend noch zu Protesten des Constantin-Films – vertreten durch den damaligen Rechtsanwalt Dr. Christian Broda.
Als Anfang Februar 1954 der Vorspann zum französischen Fernandel-Film “Verbotene Frucht” anlief, kam es im Saal zu Protesten gegen einige als erotisch etwas zu gewagt empfundene Szenen, die daraufhin sogar zum Einspruch der Staatsanwaltschaft und zur Kürzung des Films führten. Es ging um das alte Problem, inwieweit die Darstellung des Nackten ein Vergehen oder sogar Verbrechen nach dem Gesetz war. Der Leitende Ausschuss sandte Proteste gegen diese Zensur aus und führte den Film am 26. Februar 1954 vormittags geladenen Gästen aus Kreisen der Kultur- und Juristenwelt vor; jedoch mit Ausschluss der Presse. Die anschließende Diskussion, von der es kein Protokoll gibt, brachte aber dann doch eine befriedigende Lösung für alle Beteiligten, denn ab dem 8. April 1954 konnte der Film im Künstlerhauskino anlaufen.27
Anfang Februar 1956 wurde wegen “Aufreizung zur Lüsternheit” das Plakat zum italienischen Film “Schade, dass Du eine Kanaille ist” verboten und beschlagnahmt; außerdem wurde die Straßenbahnzeitschrift “Ring-Rund” eingesammelt, deren Titelseite das “anstößige” schöne Gesicht der Sophia Loren zeigte. Das Bild war zusammen mit dem Filmtitel nach Ansicht der Behörde jugendgefährdend. Dabei lief dieser Film unter demselben Titel bereits bei den Festspielen in Cannes, Venedig und in Berlin. Der Streifen war eine der damals zahlreichen, äußerst beliebten italienischen Diebeskomödien. Am 7. Februar 1956 hatte die Wiener Sicherheitsdirektion in zweiter Instanz der Berufung des Künstlerhauses stattgegeben und die Beschlagnahme wurde rückgängig gemacht. Die “Kanaille” war ein Wort der Wiener Umgangssprache, es stammte aus dem Französischen und bedeutet Schurke, Schuft.
Trotzdem gab es mit Nacktszenen weiterhin Probleme, auch noch während der sogenannten “Sexwelle” Ende der sechziger Jahre. Es fanden sich immer Moralisten, denen das eine oder andere Bild mit etwas nackter Haut nicht passte. Zu einer größeren Demonstration von NDP-Anhängern und sogar zum Einsatz einer Stinkbombe im Kinosaal kam es bei der Abendvorstellung am 30. Juli 1971, 20.30 Uhr, aus Anlass des französischen Films “Stille Tage in Clichy”. Das zur Hilfe gerufene Einsatzkommando der Polizei benahm sich bei den Abwehrmaßnahmen glücklicherweise außerordentlich ruhig, sodass es zu keiner Panikstimmung unter den diesmal doch zahlreichen Kinobesuchern kam. Die Vorführungen dieses Films wurden daraufhin in den folgenden Tagen polizeilich überwacht.
Ab den siebziger Jahren gab es durch die allgemeine Entspannung betreffend die Nacktheit und der früher als pornographisch eingestuften Liebesszenen keine Proteste mehr, weder vom Publikum, noch von der Staatsanwaltschaft. Tausende badeten inzwischen nun völlig ungestört nackt in der Donau und die Nacktheit, auch die der Männer, fand über den Film und TV den Weg auch auf die Bühne der renommiertesten Theater, sogar in Stücke, wo der Bezug zum nackten Körper nicht ganz einleuchtend ist. Aber auch ausgesprochene Pornographie wurde öffentlich machbar.28
Am 21. April 1972 wurde im Kinosaal neuerlich eine Bombe gelegt, diesmal um einen Brand zu entfachen. Der ohnehin durch die Versicherung gedeckte Schaden blieb gering, 3131,48 Schilling; der Bombenleger, der rechtsradikalen Szene angehörig, konnte von der Polizei ausgeforscht werden. Es handelte sich um eine Unmutsäußerung gegen die linkspolitische Darstellung des spanischen Bürgerkriegs im Film “Viva la muerte”.
Am 19. Dezember 1999 um 12.00 gab es wieder eine politische Demonstration, diesmal von links, gegen die Aufführung eines Opernfilms(!) von Leni Riefenstahl. Die Demonstrierenden blieben jedoch im Allgemeinen friedlich; sie verteilten Flugschriften mit Hinweisen zur Entstehung des Films und über die nationalsozialistische Vergangenheit der prominenten Filmemacherin. Riefenstahl schrieb Filmgeschichte; sie war die größte Frau hinter der Kamera des deutschen Films überhaupt.29 Dass man sie nach 1945 vom Filmschaffen fernhielt, bedeutet einen großen Verlust für den Weltfilm. (* Berlin 22.8.1902, + Starnberger See 8.9.2003)!
Ursprünglich, nach der Eröffnung des Kinos, gab es vier Vorstellungen täglich. Erst ab Sommer 1963 verzichtete man an Wochentagen auf die doch schwächer besuchte erste Nachmittagsvorstellung. Durch die Programmlinie des Kinos bedingt gab es auch öfters außergewöhnlich lange Filme; in solchen Fällen fanden täglich nur zwei Vorstellungen statt. Bei kürzeren Filmen konnte die Vorstellungszahl entsprechend erhöht werden.
Aus steuerlichen Gründen fast unlösbar blieben Wünsche nach einem freien Eintritt für Mitglieder der Gesellschaft. Dazu kam, dass jede nichtverkaufte Karte den Gewinn zugunsten des Hauses schmälerte. So probierte man im Laufe der Zeit Verschiedenes aus; am einfachsten durchführbar waren geschlossene Mitgliedervorstellungen an einem Vormittag. Doch wer kann schon vormittags ins Kino? Erst gegen Ende der siebziger Jahre erreichte man für einige abgezählte Freikarten eine teilweise Befreiung von der Vergnügungssteuer. Ab dem 10. Oktober 1984 konnten jeweils am Montag für die erste Kinovorstellung 18 Freikarten und für die zweite 40 Freikarten an Mitglieder und Freunde ausgegeben werden. Die hierauf entfallende Vergnügungssteuer (Raumpauschalsteuer) betrug 30 S pro Woche.
Besondere Vorstellungen waren Festpremieren vor geladenen und sorgfältig ausgewählten, nicht zahlenden Gästen oder auch umgekehrt: vor geladenen und für wohltätige Zwecke besonders viel zahlenden Besuchern, wie etwa am 16. Februar 1953 anlässlich einer Naturkatastrophe in den Niederlanden.
Die Sonntagvormittage waren meist speziellen, öffentlich zugänglichen Matineen mit besonderen künstlerischen Filmen vorbehalten. An Wochentagen vormittags wurde das Kino oft vermietet, meist an Firmen oder Interessensgruppen. Es fanden auch besondere Kulturveranstaltungen zu Ehren eines Künstlers, einer Organisation oder einer Behörde statt.
Öfters wurden vormittags und am frühen Nachmittag Filme in Originalfassung gebracht, die man am Abend deutsch synchronisiert sehen konnte. Einige Male zeigte man bei allen Vorstellungen zuerst die Originalfassung und erst später, nach einigen Tagen oder Wochen, die synchronisierte. Beim Festival “Viennale 1978″ wurde die ursprüngliche Fassung einzelner Beiträge simultan übersetzt und durch Kopfhörer an interessierte, der fremden Sprache nicht mächtige Besucher übertragen.
Die Spieldauer jedes einzelnen Films hing üblicherweise mit dem Einspielergebnis zusammen, war aber auch von der Terminplanung der Verleihfirmen abhängig. Manche Filme mussten abgesetzt werden, obwohl sie noch gut besucht waren, nur weil die Verleihfirmen den Film schon einem anderen Kino termingemäß garantiert hatten. So lockte z. B. der italienische Film “Das süße Leben” nach zehn Wochen am letzten Tag, den 20. Oktober 1960, in drei Vorstellungen immerhin noch 1061 Besucher an (Bruttoeinnahmen 16 948 S).
Die folgende “Wiesenstraße 10″ brachte es am 21. Oktober 1960 in vier Vorstellungen nur auf 749 Besucher (Einnahmen 7500 S). Um diese Zeit war das Kino bereits wesentlich weniger ausgelastet, als zu seiner Eröffnung. Beim “Fall Mauritius” im Dezember 1961 waren nur 9 % der Sitze verkauft worden.
Um die Attraktivität des Kinos zu steigern, ließ man sich, abgesehen von der bis heute einmaligen Innenausstattung, so manche Werbeaktionen einfallen, oft in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen oder Firmen. So war man schon im Jänner 1957 mit der Zeitung “Bild-Telegraf” und dem “Sascha-Film” auf der Suche nach neuen österreichischen Schauspielerinnen des Sophia Loren-Typs. Anlass dazu war der im Künstlerhauskino laufende Film “Liebe, Brot und 1000 Küsse”.
Im April 1966 wurden anlässlich der Aufführung des Films “Vier Schlüssel” in Zusammenarbeit mit der “Arbeiter Zeitung” im Künstlerhaus vier Tresore aufgestellt; doch nur einer davon erhielt 2500 Schilling, die ein “AZ”-Leser und Kinobesucher mit dem passenden Schlüssel gewinnen konnte.
Im Sommer 1966 führte man eine Publikumsbefragung ein: Jeder Besucher konnte nach dem Ende der Vorstellung seine Eintrittskarte in zwei, beim Ausgang aufgestellten Boxen einwerfen. Eine Urne bedeutete Zustimmung zum Film, die andere Ablehnung. Diese immerhin oft überraschende Ergebnisse bringende Aktion lief fünf Jahre lang. Nach Filmwechsel wurde das Abschneiden des vergangenen Films im Saal verlautbart.
Der Film “Agentin H-21″ über Mata Hari wurde von der Hälfte des Publikums abgelehnt, 50,70 % waren mit dem Film einverstanden. Mit 75 % abgelehnt wurde “Abschied von gestern”, ähnlich auch “Drei Tage einer neuen Liebe”. Große Zustimmung fanden “Das verflixte 7. Jahr”, “Die Ferien des Mr. Hulot”, “Frau in den Dünen” und “Der unfreiwillige Polizist”.
Um die Mitte der fünfziger Jahre wurde es üblich, die im Saal gespielte Musik namentlich zu zitieren, teilweise sogar mit der Plattenfirma und der Nummer der Platte. Ab Februar 1968 versuchte man im Einvernehmen mit dem “Österreichischen Komponistenbund” zeitgenössische Musik österreichischer Komponisten dem Publikum vorzustellen. Die Aktion stieß aber auf wenig Verständnis, die neue Musik musste als unhörbar wieder abgesetzt werden.
Im Februar 1960 fand im Künstlerhauskino die “1. Viennale” statt, die “erste internationale Festwoche der interessanten Filme”, veranstaltet vom Verband der österreichischen Filmjournalisten. 1963 wurde die “3. Viennale” zum “Festival der Heiterkeit”. Im November 1964 konstituierte sich zur besseren Durchführung und Finanzierung der “Viennale” unter der Patronanz der Gemeinde ein neuer Verein “Wiener Filmfestwochen”. Nach der schon geplant gewesenen “5. Viennale” im März 1965 verließ dieses Festival für viele Jahre das Künstlerhaus. Für einige Zeit kehrte die “Viennale” im Oktober 1978 zurück, gleichzeitig mit der Mietung eines Büros im Haus. Daneben gab es natürlich noch weitere Filmfestivals und Filmwochen, etwa anlässlich der Kinojubiläen; 1965 die “Französische Filmwoche”, 1980 die “Bulgarische Filmwoche”, 1981 “Humor als Waffe”, nach 1981 das “Wiener Opernfilmfestival”.
Der Kinoalltag unterschied sich wesentlich von dem des Ausstellungshauses, was mit der Art und der Publikumszusammensetzung zusammenhing. Die Kinobesucher entstammten in ihrer Mehrzahl anderen sozialen Schichten als das Ausstellungspublikum. Nicht selten zeigten sie auch ein anderes, aggressiveres Verhalten, mit dem das Kinopersonal konfrontiert und fertigwerden musste. Es handelte sich fast ausschließlich um Bagatellen, wie verlorene oder vergessene Schirme und Garderobestücke; von anderen, früheren Besuchern verschmutzte oder beschädigte Sitze; durchgedrückte Glasscheiben, Ausrutscher und Stolperfälle; Einbrüche im Büffet, in der Kassa oder sogar in der Vorführkabine. Besonders oft gingen Glasscheiben im Eingangsbereich kaputt, einige Male auch nur durch vorbeigehende Passanten oder Jugendliche vor dem Haus; diese Schäden wurden von der Versicherung meist gedeckt. Ein Einzelfall in der Geschichte des Künstlerhauskinos bleibt ein Vaterschaftsprozess, in dem die Premierevorstellung des Films “Abschied von gestern” am 20. Jänner 1967 eine wesentliche Rolle spielte.
Am 12. August 1982 wurde durch einen unredlichen Billeteur die Kinokassa geplündert; die entwendeten Tageseinnahmen betrugen 21 121,30 S. Das folgende Austauschen aller Kinoschlösser kostete noch weitere zehn tausend Schilling.30
Durch Vermittlung des Direktors Otto Staininger wurde am 6. Juni 1983 vereinbart, dass die Stadthalle / Kiba in den Kinos Wienzeile, Opern und Kärntner Werbefilme für das Künstlerhaus kostenlos einschaltet, wofür das Künstlerhaus die Stadthalle / Kiba – Werbefilme im hauseigenen Kino zeigte. Als ersten Werbefilm übersandte das Künstlerhaus drei Kopien des Restaurants Palette (stumm, 15 sec).
Nach der Entstehung der Mitglieder-Filmsektion wurde das Kino öfters zu Matineen und Vorführungen künstlerischer Filme eingesetzt, meist tagsüber, unabhängig vom Abendfilm. In den Tagen zwischen dem 6. und 30. September 1986 organisierte die Filmsektion die “Österreichischen Filmwochen” in Israel mit; auch hier stand die Vorführung experimenteller Filme im Vordergrund (Pressekonferenz am 2. September 1986, 11.00 im Ranftlzimmer).
In der Nacht auf den 2. November 1989 sowie wieder vom 25. auf den 26. November 1995 wurde in das Kino eingebrochen, wobei die Schäden an den Türen und der Einrichtung von jeweils etwa 20 000 Schilling wesentlich höher lagen, als die entwendeten Gegenstände, wie eine Schere und 16 Biergläser wert waren. Bargeld befand sich im Kino keines.
Im Februar 2001 verlieh der amtsführende Stadtrat für Kultur dem Betreiber des Künstlerhauskinos, der Künstlerhaus GmbH in Anerkennung ihrer bedeutenden organisatorischen Leistungen um die Kinokultur in Wien den Ersten Wiener Kinopreis für das Jahr 2000.
Am 19. Mai 2005 fand die Premiere von “Kontroll”, einem fesselnden Thriller voll schwarzem Humor statt. Der mehrfach preisgekrönte Film erzählte die Geschichte von fünf Fahrkartenkontrolleuren in der Budapester U-Bahn.