Für die Wiener Bevölkerung sollte sich sehr empfindlich – trotz der bereits spürbaren Engpässe in den Lebensmittellieferungen – der erst ab Herbst 1917 einsetzende Mangel an Kohle auswirken. Alle Bemühungen der Genossenschaft um bevorzugte Kohlelieferungen an Mitglieder zeigten sich meist ergebnislos; die großen Ateliers mit ihren nicht isolierten Glasdächern blieben ungeheizt oder man musste sich mit anderen Materialien notdürftig aushelfen. Dieser Brennstoffmangel steigerte sich gegen Kriegsende und wurde nach dem Krieg katastrophal, als der Zerfall der Monarchie durch die Bildung neuer Staatsgrenzen die Einstellung der bisher üblichen Versorgung Wiens aus den nordmährischen Kohlenbergwerken brachte – die Politiker der neuen Tschechoslowakischen Republik wollten vom alten “habsburgischen” Wien nichts mehr wissen, die neugezogenen Grenzen wurden dicht gemacht.
Besser sah es mit dem Arbeitsmaterial aus: der Hauptexporteur Deutschland hatte zwar im Frühjahr 1917 die Ausfuhr von Malutensilien auch in das verbündete Österreich-Ungarn beschränkt, so dass sich die Genossenschaft diesbezüglich zu Protesten genötigt sah. Im Großen und Ganzen konnte man aber immer noch, auch in den letzten Kriegstagen, etwas Leinwand oder Malkarton auftreiben.
Wirklich schlimm wurde es aber bei Lebensmitteln. Im Sommer und Herbst 1918 planten Maler Hans Ranzoni und Konsul Gottlieb Kraus die Errichtung eines eigenen Konsumvereins für bildende Künstler; wegen organisatorischer Schwierigkeiten unterblieb dann die Verwirklichung. Finanziert werden sollte dieser Konsumverein aus dem Hauserhaltungsfond und später durch Jahresbeiträge der Mitglieder, ihrer Familienangehörigen und Hausangestellten. Als Arbeitsraum des Konsumleiters war das „Stachezimmer“ im ersten Stock des Künstlerhauses vorgesehen, die Verteilung der Ware sollte im Winter im Präsidentensaal (heute Ranftlzimmer), im Sommer in der Kneipe erfolgen. Lagerräume hatte man im Souterrain mehr als genug.1
Als im schweren Winter 1918-1919 die Künstler, durch die herrschende Kohlenot in ihrer Arbeit schwer beeinträchtigt, ungeduldig den Frühling erwarteten, wurden sie neuerlich schwer enttäuscht. Einzelne Landesregierungen, ja selbst Gemeinden in Niederösterreich haben – um sich vor dem unerwünschten Zuzug der hungernden Stadtbevölkerung zu schützen – Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen erlassen. Ein großer Teil der Maler war aber schon aus Berufsgründen genötigt die Zeit vom Frühjahr bis zum Herbst auf dem Land zu verbringen, also nicht nur zu Erholung. So protestierte die Genossenschaft gegen die Reisebeschränkungen beim neuen Staatsamt des Innern und dem Staatsamt für Volksernährung. Die Staatsämter selbst konnten allerdings wenig erreichen; nur die betreffenden Landesregierungen wurden über die Wünsche der Künstler informiert.
Doch Wien hungerte, und das von Monat zu Monat mehr. Von einer sehnsüchtig erwarteten Konsolidierung der Verhältnisse nach dem Krieg war keine Rede, der Mangel und die Inflation nahmen zu, der Schleichhandel florierte. So begann man im Herbst 1919 zaghaft die ersten größeren Hilfsaktionen zu organisieren, zuerst gegenseitig aus eigenen Reihen, dann mit Hilfe anderer Berufsgruppen und schließlich aus dem Ausland. Als erste wurden im Rahmen solcher Unterstützungen dem Künstlerhaus vom “Verein der Wirtschaftsverbände der geistigen Arbeiter” 200 Kilogramm Brotmehl zum Preis von 7,30 K / kg am 8. Oktober 1919 zugestellt. Im Hinblick auf diese minimale, der Anzahl der ordentlichen Mitglieder überhaupt nicht entsprechende Menge wurde das Mehl nur an ihre Kinder unter 15 Jahren ausgegeben; pro Kopf ein, höchstens zwei Kilogramm.
Zur gleichen Zeit erinnerte man sich im Ausschuss, dass man unter den Stiftern doch auch einen Industriellen hatte, der über nahe, ausgedehnte Wälder verfügte: Artur Krupp in Berndorf. Am 27. Oktober 1919 schrieb ihm Präsident Hans Ranzoni persönlich und bat um Holz zum Heizen. Krupp sagte gleich zu und bot sogar mehrere Waggons an, doch machte gleichzeitig darauf aufmerksam, dass jeder in Wien eintreffende Waggon von der Gemeinde Wien beschlagnahmt wird. Die Genossenschaft müsste also vorher beim Magistrat die Freigabe des Holzes erwirken.
Am 8. November 1919 suchte die Genossenschaft beim Bezirkswirtschaftsamt, Stelle 8, um die Holzfreigabe an; am 10. November 1919 beim Unterstaatssekretär Otto Glöckel. Beide Eingaben wurden, von den Ämtern unabhängig voneinander behandelt, abgelehnt. Wie die Stelle 8 der Genossenschaft mitteilte, waren sämtliche aus Niederösterreich aufgebrachten Holzmengen der Gemeinde Wien zur Versorgung der gesamten Bevölkerung für den Küchenbrand bestimmt. Die mangelhafte Versorgung mit Brennmaterial führte bereits zum Schließen von Kindergärten und auch Schulen waren bedroht. In Spitälern stellte der Mangel an heißem Wasser eine wirksame Sterilisierung in Frage. 85 % der Kinder zwischen neun Monaten und drei Jahren litten an Rachitis. Die Ernährung und Versorgung der Kinder stand im Vordergrund, – für sie war die erste damals von den USA ausgehende Hilfsaktion bestimmt; fast gleichzeitig begann auch die Arbeit des englischen Quäkerbundes, der “Society of Friends”.
Mit den kalten Temperaturen des Herbstes 1919 begann die wilde Abholzung des Wienerwaldes solche Ausmaße anzunehmen, dass die niederösterreichische Landesregierung gezwungen war, zu dessen Regelung, Maßnahmen zu ergreifen. Im Prinzip hatte man nichts dagegen, wenn sich die Wiener Bevölkerung selbst versorgte und es wurden dafür besonders gekennzeichnete Flächen von den Waldbesitzern kostenlos zur Verfügung gestellt. Jeder, der die bezeichneten Stämme fällte, musste jedoch eine Kohlenbezugskarte und einen Erlaubnisschein vorweisen; zur Einhaltung der Ordnung wurde die Polizei, Stadtschutzwache und besondere Ordner aus den Reihen der Arbeiterräte und der städtischen Straßenbahner aufgeboten.
Den helfenden Amerikanern und Briten folgten bald die Schweden; ihre Hilfsmaßnahmen erwiesen sich in der Folge als besonders wirksam. Im Jänner 1920 begann eine Aktion für Kinder zwischen neun und fünfzehn Jahren; sie wurden zu einem längeren Erholungsaufenthalt nach Schweden eingeladen. Außerdem beschenkte die Schwedische Mission das Künstlerhaus mit Wäsche und Kleidungsstücken und das sowohl für Kinder, als auch Erwachsene.
Ab Februar 1920 begann die “Mittelstandshilfe”, Rennweg 2, Lebensmittel aus fremden Spenden an Künstlerhausmitglieder ausgegeben, die ersten am 19. und 20. Februar 1920. Im Mai wurde durch die Mittelstandshilfe Holz in kleinen Mengen verkauft und sogar ins Haus zugestellt.
Auf Initiative des Architekten Eugen Fassbender, der mit dem Sekretär der spanischen Botschaft Diego Lastras seit Jahren befreundet war, hat die Genossenschaft am 28. Februar 1920 zusammen mit der Secession und dem Hagenbund die spanischen Künstler um Hilfe ersucht. Spanien blieb als neutral gewesenes Land vom Krieg verschont. Gleichzeitig schrieb man an die als reich eingestufte „Society of American Artist in New York“; beide Rufe blieben jedoch ohne Antwort.
Außer diesen Schwierigkeiten hatten die bildenden Künstler nun auch ernsthaft mit dem Mangel an Arbeitsmaterial zu kämpfen. Leinwand war nach dem Krieg überhaupt nicht mehr zu haben, Leinöl und Terpentin waren staatlich bewirtschaftet. Um doch zu einigen Rohmaterialien zu kommen, unternahm im März 1920 der Unterstaatssekretär Rudolf Förster-Streffleur, ein guter Bekannter im Künstlerhaus, einen Vorstoß um Überlassung dieser Materialien aus den Beständen der Sachdemobilisierung. Das was man bekam, wurde vom “Wirtschaftsverband bildender Künstler” unter dem Künstlerhaus, der Secession und dem Hagenbund aufgeteilt.
Anfang Juni 1920 wurden im Künstlerhaus „Dänische Liebesgaben“, insgesamt ein Waggon Lebensmittel aus der Dänischen Kollegenhilfe für Österreich, verteilt; entsprechende Tragebehelfe, Rucksäcke, Taschen etc. waren “gefälligst mitzubringen”. Eingeladen waren diesmal neben der Secession und dem Hagenbund auch die Kunstgewerbeschule und die Vereinigung bildender Künstlerinnen.
Am 23. Juli 1920 wurden Lebensmittel aus einer holländischen und der privaten Fritz Kreisler-Spende im Künstlerhaus verteilt; am 21. September 1920 sogenannte Zehn-Dollarpakete des „Commonwealth-Funds“, einer Vereinigung amerikanischer Intellektueller. Diese Pakete waren die umfangreichsten, die man am Karlsplatz überhaupt je sah. Jedes Paket erhielt 11 kg Mehl, 4,5 kg Reis, 3,6 kg Speck und 8 Dosen Kondensmilch.
Alle diese Aktionen kamen vor allem den bedürftigsten, kinderreichsten Familien bzw. kranken Mitgliedern zugute. Die Zehn-Dollarpakete erhielten 40 Künstler. Ihren Einkommensverhältnissen entsprechend waren von allen bildenden Künstlern die Architekten an solchen Aktionen am wenigsten vertreten, was manchmal auch zu Protesten ihrerseits geführt hatte und einmal sogar zu einer Austrittserklärung – des Baurates Friedrich Ohmann Anfang August 1920, der sie dann allerdings nach Aufklärung wieder zurückzog. Weitere 15 Zehn- Dollarpakete wurden im Dezember 1920 verteilt.
Im Oktober 1920 begann eine Schwedische Künstleraktion des “Konstnärsklubben” in Stockholm zu wirken. Sie entsprang einer Initiative des schwedischen Bildhauers Gottfried Larsson und des Malers Iwar Kamke. Binnen kurzer Zeit gelang es den beiden eine Anzahl von Kunstwerken zu sammeln und sie anlässlich eines Festes durch eine Tombola zu verlosen. Der Nettogewinn von 42 000 Schwedenkronen (2 Millionen österreichischer Kronen) wurde in Lebensmitteln an bedürftige Künstler ohne Unterschied ihrer Vereinszugehörigkeit durch das Professorenkollegium der Akademie im Einvernehmen mit der schwedischen Gesandtschaft verteilt.
Dass bei dieser Verteilung der damals der “Kunstgemeinschaft” angehörende Maler Erwin Pendl und der Obmann der Kunstgemeinschaft der Bildhauer Karl Gelles leer ausgingen, führte in der Folge noch zu zahlreichen unerfreulichen Angriffen dieser Künstler gegen die Akademie und die beteiligten Vereinigungen. 1922 wurde daraus sogar ein Ehrenbeleidigungsprozeß. Pendl war ein verbitterter Aquarellist, der nie die Aufnahme in eine der führenden Vereinigungen geschafft hatte; man betrachtete ihn allgemein nicht als Maler, sondern als Architekturzeichner, also als einen Gewerbetreibenden. Ähnlich erfolglos blieb auch Gelles. Gelles, voll Neid, zeigte scharfe kommunistische Neigungen und trat damals offen für die Enteignung des Künstlerhauses ein. Im Jänner 1923 wurde er zu einer Geldstrafe von 2 Millionen Kronen (ohne die Inflationsentwertung würde dies der gesamten schwedischen Hilfe entsprechen!) oder zehn Tage Arrest verurteilt.
Von der schwedischen Hilfe waren die Künstlerhausmitglieder so beeindruckt, dass der Leitende Ausschuss im Juli 1921 zum Zeichen der Erinnerung und Dankbarkeit im Innenraum des Künstlerhauses eine entsprechend würdige Tafel anbringen wollte. Zur Gestaltung der Tafel wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, die Tafel sollte in die Mitte einer der beiden Seiten-Stiegenhauswände kommen; ausgeführt wurde sie schließlich – wie bei Wettbewerben oft der Fall – nicht. Unverwirklicht blieb auch die Idee eines Denkmals des Präsidenten Ernst Hegenbarth vom Dezember 1922.
Am 12. Jänner 1921 schrieb der Industrielle Rudolf Drasche aus Ebreichsdorf bei Wien, dass die ihm persönlich bekannte Gemahlin des französischen Gesandten Frau Lefevre-Pantalis aus Frankreich Kleiderstoffe mitgebracht und an Hilfsbedürftige verteilen will. Durch Vermittlung Drasches sollte der Großteil dieser Widmung den Künstlerhausmitgliedern zugute kommen. Im Künstlerhaus war man für diese Nachricht dankbar und übermittelte der französischen Gesandtschaft eine Liste mit 20 Namen.
Es wurden Übergabetermine vereinbart, doch dann bekam die Aktion einen unangenehmen Beigeschmack. Madame Lefevre-Pantalis wollte die Kleiderstoffe persönlich übergeben, fuhr aber, ohne die bestellten Künstler zu benachrichtigen, plötzlich nach Paris ab. Ein neuer Termin wurde vereinbart und wieder war die Spenderin nicht anwesend. Dann verlor sie die Namensliste und bat um eine neue. Die Künstler, unter ihnen wirklich bedeutende Namen der Vorkriegszeit, bemühten sich mehrmals umsonst in die Gesandtschaft. Das war demütigend.
Schließlich wurde diese französische “Hilfe” dem Präsidenten Ernst Hegenbarth zu dumm: der launischen Madame Lefevre kann man ja auch schriftlich danken, die Stoffe könnte man im Künstlerhaus verteilen, ihre persönliche Anwesenheit bei der Übergabe wäre nicht notwendig. Baron Drasche wurde in diesem Sinn wieder um Vermittlung ersucht. Ihm war schließlich zu danken, dass die inzwischen peinlich gewordene Hilfe doch zu einem guten Ende kam. Am 31. März 1921 wurden die Stoffe von den Dienern der französischen Gesandtschaft im Künstlerhaus abgeliefert und in den kommenden Tagen konnten sich zwanzig Mitglieder je 3,20 m abholen.
Die Versorgung mit Kleiderstoffen war zu dieser Zeit allgemein allerdings bereits besser. Geholfen hat u. a. der “Verein der Wirtschaftsverbände geistiger Arbeiter”, der in Zusammenarbeit mit der “Mittelstandsdelegation” den “Zegam – Zentraleinkauf für die Verbände geistiger Arbeiter und des Mittelstandes” 1920 gegründet hatte. Im Februar 1921 gelang es “Zegam” eine große Menge von Qualitätsstoffen tschechischer und französischer Produktion zu erwerben und daraus in einer Großkonfektionsfirma Anzüge zum Preis von 5500 K zu schneidern. Ein alleinstehender, nicht organisierter Künstler hatte es in dieser Zeit besonders schwer – er bekam nichts.
Am 10. Februar 1921 wandte sich Frau Emma Lorenz, die Gattin des Universitätsprofessors Dr. Adolf Lorenz an das Künstlerhaus mit der Bitte um 25 Adressen bedürftiger ordentlicher Mitglieder zur Beteilung mit einer Geldspende von je 2000 K. Das Geld bekam Prof. Lorenz von seinen amerikanischen Freunden und gab es nun weiter. Überwiesen wurde es durch den Wiener Bankverein. Im August 1922 kam es im Rahmen einer zweiten Stiftung zu weiteren Überweisungen.
Im Juni 1921 langte eine neue Lebensmittelspende des amerikanischen “Commonwealth Fund” für geistig Schaffende ein; verteilt wurde sie durch das Unterrichtsamt.
Im Juli 1921 startete Präsident Hegenbarth eine eigene Künstlerhaushilfsaktion mit sofortigen Geldunterstützungen für kurzfristig in Not geratene Mitglieder. Wie einst Kaiser Josef II., wollte jetzt auch Hegenbarth verhindern, dass die sich in momentaner Not befindlichen Künstler in Hände von Wucherern fielen, welche sich in dieser Zeit besonders – aus Galizien eingewandert – in Wien zu verbreiten schienen. Man zahlte im Künstlerhaus direkte Unterstützungen aus, je ein bis drei Tausend Kronen aus den Hausmitteln. Inzwischen wurde das Geld aber immer weniger wert, die Inflation immer rascher. Die Jahresbeiträge der Mitglieder wurden jetzt alle drei Monate neu berechnet, eine Budgetvorlage wurde überhaupt nicht mehr erstellt.
Im Februar 1922 begann eine Ausspeisungsaktion der “American Relief Administration” in den Wiener Gemeinschaftsküchen. Die Amerikaner haben Bons ausgegeben, für Mittellose gratis; die weniger Bedürftigen konnten eine Mahlzeit um den halben Preis erwerben. Zum Essen berechtigt waren auch die Frauen der Mitglieder, ebenso die Witwen. Die Bons wurden jeweils für vier Wochen im Voraus ausgegeben, wobei sich ihre Zahl aber von Monat zu Monat rasch ändern konnte, je nach dem eingelaufenen amerikanischen Geld. Die Ausspeisungsaktion dauerte bis Jahresende 1923. Vom Künstlerhaus beteiligt waren zeitweise sechs bis 30 Künstler, zu Beginn mehr, später weniger. Solche Bons bekamen auch die Secession und der Hagenbund. Im Sommer 1922 wurden aus dieser Hilfe auch Lebensmittelpakete verteilt; die letzten vor Weihnachten 1922.
Die Lage der bildenden Künstler war in diesen Jahren besonders hart, da sie als Freischaffende ohne eine gesetzlich geregelte, staatliche Fürsorge auskommen mussten. Trotz mehrerer Vorstöße in der Vergangenheit, auch 1921 im Unterrichtsamt und im Nationalrat, gab es nach wie vor keine staatliche Pensionsberechtigung und keine Krankenkassa, nur private Fonds, die jetzt durch die Inflation rasch an Bedeutung verloren.
Im August 1923 wurden von der “Friend’s Relief Mission”, einer englisch-amerikanischen Hilfsorganisation, dem Künstlerhaus 20 kg Kakao gewidmet, das anschließend zwanzig Mitglieder bekamen. Wie einer aus diesem Anlass angefertigten Liste zu entnehmen ist, waren zu diesem Zeitpunkt von den 248 Mitgliedern 75 sehr bedürftig. Die Genossenschaft sorgte außerdem für 14 Witwen.
Im Dezember 1923 wurden zwölf Künstlerhausmitglieder vom “Zentralrat der geistigen Arbeiter Österreichs” mit Geldspenden bedacht, die aus Widmungen englischer, holländischer und New Yorker Intellektueller stammten.
Um diese Zeit war man aber bereits auch in der Lage, nicht nur selbst zu empfangen, sondern auch anderen zu helfen. Als im April 1923 die Akademie der bildenden Künste die Genossenschaft um Unterstützung ihrer Mensa für arme Studenten bat, widmeten 19 Mitglieder insgesamt 470 000 Kronen, womit die Erwartungen der Akademie weit überschritten wurden.
Im Herbst sammelte man für notleidende Kollegen in Deutschland; am 6. November 1923 konnte dem deutschen Gesandten Dr. Maximilian Pfeiffer die von der Genossenschaft gesammelte Summe von drei Millionen Kronen übergeben werden. Pfeiffer brachte sie dem “Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands” in Berlin, der sie unter den notleidendsten Künstlerorganisationen in Karlsruhe, Düsseldorf und München aufteilte.
Aus diesen beiden Sammlungen geht hervor, dass es unter den Künstlerhausmitgliedern der Nachkriegszeit große soziale Unterschiede gegeben haben muß. Neben einem großen Teil, der hungerte, gab es Künstler, denen es besser, einigen sogar immer noch relativ gut ging. Für die Bedürftigen gab es auch später noch vereinzelt kleinere Hilfsaktionen. Im Februar 1925 etwa kamen einige Unterstützungen aus den Mitteln des “Argentinischen Künstler-Hilfswerkes”, im April 1926 der “Internationalen Hilfe für geistige Arbeiter”, im Dezember 1926 des “Central-Comittees for the Relief of Dispers” in New York, im Dezember 1927 neuerlich aus der “Internationalen Hilfe für geistige Arbeiter”, die sich noch im Februar und April 1929 wiederholte.
Ab Dezember 1929 gab es aus den Mitteln des Bundesministeriums für Unterricht Weihnachtsaktionen für besonders bedürftige Künstler, die in der Regel hundert bis zwei hundert Schilling bekamen. 1929 waren es sechs Mitglieder, 1930 neun, 1931 siebzehn, 1932 achtzehn, 1933 22, 1934 23, 1935 27, 1936 28, 1937 20 und 1938 18 Kollegen.
Am 2. November 1924 wurde im Künstlerhausrestaurant ein billiges Menü für Mitglieder eingeführt, das aus Suppe, Fleischspeise mit Beilage und einer Mehlspeise bestand. Das Menü konnten auch außerordentliche Mitglieder und Teilnehmer konsumieren, ebenso Kollegen aus der Secession, dem Hagenbund und der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs. Eingeführt werden konnte diese Menüaktion durch den damals gerade stattgefundenen Pächterwechsel. Die Interessenten mussten sich nur im Voraus in eine Liste eintragen.2 Ähnliche Mittagstische entstanden in den dreißiger Jahren auch in weiteren Gaststätten und Wohnungen außerhalb des Künstlerhauses. Sie waren jedoch meist nur von kurzer Dauer, manche existierten überhaupt nur für eine Wintersaison.3
Um 1930 erreichte eine neue Welle der allgemeinen Not der Künstler ihren Höhepunkt. Bis dahin konnten die halbwegs „fähigen“ Künstler noch gewisse Verkaufserfolge verbuchen; doch damit war es jetzt, auch bei den prominentesten, vorbei. Der gesamte österreichische Mittelstand verarmte; die Kunstwerke wurden trotz ihres Preisverfalls nahezu unverkäuflich. Igo Pötsch sagte einmal dazu: “Als ich jung war, malte ich die ganze Woche und feierte am Sonntag. Jetzt laufe ich die ganze Woche herum, um Aufträge zu erhalten, die dann am Sonntag gemalt werden”.4
Um den Mitgliedern auch beruflich zu helfen, organisierte die Genossenschaft 1930 und 1931 wieder die schon im Ersten Weltkrieg bekannt gewordenen Atelierausstellungen. In das jeweils dem Publikum bekannt gegebene Atelier brachten auch noch etwa weitere fünf Kollegen ihre Werke zur Ausstellung. Die Idee entstand, nachdem die Ausstellungsräume im Winter durch die Gschnasfeste belegt waren. Im Atelier stets anwesend war Sekretär Carl Gerold, der alle Verkäufe im Namen der Genossenschaft organisierte und durchführte.
Durch die geringen Verkäufe, Beitragsschulden, Ermäßigungen, einen Besucherschwund, unverkaufte Kataloge etc. gingen gleichzeitig die Einnahmen der Genossenschaft stark zurück, die nun selbst nicht mehr nur politisch, sondern vor allem wirtschaftlich hart um ihr Überleben kämpfen musste.